Burnout: Brennen oder ausbrennen?

Durch Stress kann es zu Burnout kommen. Wir müssen brennen, bevor wir ausbrennen. Was können wir tun, um nicht in ein Ausbrennen hineinzuschlittern? Ich beschreibe in diesem Artikel den Unterschied zwischen "gesundem" Brennen und dem Brennen, das in die Überlastung führt. Angeregt hat mich dazu ein Vortrag von Peter Buchenau in Zürich.

Dieser Artikel ist erstmals am 03.10.2012 erschienen, hier liest du die aktualisierte Fassung.

Im September 2012 besuchte ich beim Frauennetzwerk EWMD European Women’s Management Development International Network in Zürich einen Vortrag von Peter Buchenau: „Brennen ohne zu verbrennen. Beharrlich und gelassen leistungsfähig bleiben.“

Peter Buchenau sprach unter Einbezug der Teilnehmerinnen darüber, wie es durch (negativen) Stress zu Burnout kommen kann.

Angesprochen waren Führungskräfte, um bei ihren Mitarbeitenden Anzeichen erkennen zu können.

Buchenau stellte auch Möglichkeiten vor, um Burnout entgegenzuwirken: unter anderem

  • metakognitive Übungen,

  • Ernährung,

  • Bewegung in den Alltag einbauen,

  • ungewöhnliche Dinge tun wie z.B. Meetings im Freien abhalten sowie

  • Entspannungsmethoden.

Warum tun Menschen nichts gegen Burnout-Anzeichen?

Eine Frage aus dem Publikum war: „Ja, warum tun denn die Menschen nichts dagegen? Warum halten sie nicht an?“

Ich denke, dass dabei eine Rolle spielt, wie wir die auftretenden Symptome bewerten. Sehen wir sie als Schwäche an, dann meinen wir, wir würden versagen. Wir „funktionieren“ ja nicht mehr richtig. Und ist das ein Wunder, wenn von uns immer mehr Leistung verlangt wird?

Vielleicht empfinden wir Ängste vor weitreichenden Konsequenzen, wenn wir uns nicht weiterhin unserem Umfeld uns seinen Anforderungen anpassen.

Wird Führungskräften gesagt, es gehe letztlich um eine Leistungssteigerung bei ihren Mitarbeitenden, dann ist damit noch nicht erklärt, was darunter verstanden wird. Leistungsfähiger könnte meinen: noch mehr erledigen in noch kürzerer Zeit. Das kann subjektiv wiederum Stress auslösen.

Sinn und Werte fehlen mir bei den Ausführungen zu Burnout

Was mir bei den Ausführungen von Peter Buchenau wie auch anderen zum Thema Burnout auffällt, ist, dass die Dimensionen Sinn und Werte nicht erwähnt werden.

Wenn ich nicht weiß, wozu ich etwas tue, dann wirkt das auf Dauer erschöpfend. Es führt keine Energien zu, sondern nimmt nur welche.

Dabei kommt es aus meiner Sicht darauf an, ob ich innerlich „Ja“ zu einer Sache sage oder ob ich etwas tue, weil es mir so aufgetragen wird (sei es explizit oder aber weil ich denke, es würde von mir erwartet).

Führt es wirklich zum Burnout, wenn wir für etwas brennen?

Peter Buchenau betonte, man müsse zunächst brennen, damit es überhaupt zu einem Ausbrennen kommen könne.

„Für etwas brennen“ – da klingt für mich an, dass wir etwas mit Leidenschaft tun. Wenn du Leidenschaft hörst (engl. passion), verbindest du dann eher etwas Negatives damit? Von etwas getrieben sein, ausgeliefert sein, nicht anders können? Da ist das Bild vom Ausbrennen nahe.

Doch kennst nicht auch du Menschen – entweder persönlich oder aus Büchern oder anderen Medien-, die für ihre Sache brennen, ihre Arbeit nicht nach Stunden berechnen und ein erfülltes Leben führen?

Da scheinen zwei verschiedene Formen von Leidenschaft im Spiel zu sein.

Obsessive versus harmonische Leidenschaft für die Arbeit

Der kanadische Psychologe Robert Vallerand unterscheidet zwischen obsessiver und harmonischer Leidenschaft. Den Unterschied macht laut seinen Untersuchungen, wie wir uns in eine Tätigkeit verlieben (was für ein schöner Ausdruck!)

Bei den Studienteilnehmern, die sich in äußere Faktoren wie Bonuszahlungen oder soziales Prestige verliebten, wurde die Leidenschaft obsessiv. Leidenschaft übt dann zerstörerische Kräfte aus. Auf Dauer wirkt sie verzehrend, sie nimmt uns Energie.

Wer hingegen ohne äußeren Zwang für die Tätigkeit entbrannte, entwickelte eine harmonische Leidenschaft.

  • Wir haben dann die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen.

  • Wir betrachten unsere Tätigkeit mit gewissem Abstand.

  • Wir achten darauf, was uns gut tut.

  • Die Leidenschaft steigert so unser subjektives Wohlbefinden.

Was zu gesunder Leidenschaft führt

Uns selbst gut kennen

Ich denke, dass eine „gesunde“ Leidenschaft voraussetzt, dass wir uns selbst gut kennen. Dass wir uns fragen: „Was ist mir wirklich wichtig?“ und „Was brauche ich, damit es mir wirklich gut geht?".

Unsere persönlichen Ziele in Verbindung mit unseren Werten kennen

Loten wir das für uns in der Tiefe aus, können wir uns die Frage nach unseren ganz persönlichen Zielen stellen.

Sie sind auf dieser Basis von Innen her motiviert und nicht von außen vorgegeben. Wir erleben uns als selbstwirksam.

„Was will ich erreichen?“, „Welche Ziele setze ich mir?“ ist dann verwurzelt in dem, was ich aus meinem Leben machen will, wozu ich eigentlich hier bin.

Unsere Ziele sind auf diese Weise verbunden mit unseren Werten.

Eine fürsorgliche Beziehung mit uns selbst führen

Ganz entscheidend ist meines Erachtens darüber hinaus, welche Beziehung wir mit uns selbst pflegen.

Wie gehen wir mit uns selbst um?

Wie mit einer Freundin, für die wir uns Zeit nehmen und der wir aufmerksam zuhören?

Um deren Wohlbefinden wir uns sorgen, und die wir nicht auf etwas festlegen, sondern in der wir ihr Potenzial sehen?

Die eigenen Grenzen kennen und anerkennen

Aus meiner Sicht ist ebenfalls wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und anzuerkennen. Ich kann nicht alles erreichen, auch wenn mir das vielleicht heute in der westlichen Kultur gesagt wird.

Wir haben als Menschen beispielsweise körperliche Grenzen. Reizen wir diese ständig aus, führt das zu Überlastung. Wir brauchen Ruhephasen.

Vielleicht haben wir individuell auch bestimmte körperliche Einschränkungen. Es tut nicht gut, uns mit anderen zu vergleichen und das Gleiche erreichen zu wollen wie sie.

Ja, vielleicht ist das Vergleichen mit anderen überhaupt eine prominente Antriebskraft auf dem Weg zum Ausbrennen.

Wenn wir uns auf unsere einzigartigen Eigenschaften und Stärken besinnen, dann brauchen wir nicht sein zu wollen wie andere und haben zu wollen, was andere besitzen. Wir werden gelassener.

Unsere Bedürfnisse erkunden

Was brauche ich, damit es mir wirklich gut geht? Da sind die eigenen Bedürfnisse angesprochen. Das setzt voraus, dass wir auf uns hören und in uns hineinhorchen.

Hilfreich ist dabei, auf unseren Körper zu achten. Er sendet uns Signale.

Alle genannten Punkte, die zu einem "gesunden Brennen" führen, sind wesentliche Aspekte von Selbstführung.

Burnout als Kompetenz des Körpers

Peter Buchenau stellte das Burnout-Rad von Herbert Freudenberger vor. Im letzten Stadium kommt es zur totalen Erstarrung.

Buchenau schilderte es so: Man ist plötzlich unfähig, sich aus dem Sessel zu erheben und ins andere Zimmer zu gehen.

Da dachte ich mir: Welch wunderbare Kompetenz des Körpers! Er signalisiert uns auf radikale Weise „Stopp“, weil die leiseren Andeutungen bislang nicht gefruchtet haben. Er zeigt uns ein: „So geht es nicht weiter.“ Er gibt uns damit die Chance auf eine neue Orientierung und bewahrt uns vor dem totalen Aus.

Vielleicht ist das der erste, wesentliche Schritt: Uns in unserem körperlichen Sein wahrzunehmen.

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