Kreativität unter Druck funktioniert nicht

Wie gelingt es, kreativ zu sein? Was fördert Kreativität und was führt zu Kreativitätsblockaden? Druck und Angst sind hinderlich. Das zeige ich dir in diesem Artikel mit einer persönlichen Erinnerung aus einem Seminar für Kreativität und anhand neurobiologischer Erkenntnisse aus einem Vortrag des Neurobiologen Gerald Hüther.

Dieser Artikel ist erstmals am 6. November 2012 erschienen, hier liest du die aktualisierte Fassung.

Vor ein paar Jahren war ich in einem Seminar. Es ging um Kreativität. Der Trainer gab eine Aufgabenstellung vor. Wir sollten schnell, wenn uns der Tennisball zugeworfen wurde, eine kreative Idee hinausschreien. Jeder für sich. "Nicht nachdenken, rasch, rasch ..., heraus damit ...", so die Anweisung.

Mir wurde unwohl. Ich spürte einen Klumpen in meinem Magen und Druck in meinem Kopf, mir wurde heiß.

Die ersten Teilnehmer hatten den Ball bereits gefangen und etwas geäußert. Allen schien etwas einzufallen, allen gelang es, den Ball zu fangen. Alles im Griff.

Geschwindigkeit und Lautstärke wuchsen. Mein Unwohlsein stieg, ich hatte Angst. „Du kannst ja gar nicht fangen...und eine Idee hast du auch nicht....“

Ahhhh! Ich wollte weg.

Das hat mich weiter beschäftigt: Was war falsch für mich in dem Kreativitätsseminar?

Eine Möglichkeit war, mir Vorwürfe zu machen: "Kannst du nicht auch so schnell kreativ sein wie die anderen? Warum immer diese Blockaden? Was ist los mit dir? Änderst du dich nie?"

Ich habe weiter überlegt, was denn wohl noch ein Grund für mein tiefes Unwohlsein gewesen sein könnte. Wie konnte ich es begründen, ohne mich selbst zu beschuldigen?

Ich wollte mein verspürtes Unbehagen ernst nehmen, den tieferen Ursachen auf die Spur kommen.

Ich ahnte, dass etwas an der Art und Weise des Seminars für mich gundlegend nicht passte. Für mich war es eine Stresssituation.

Wie sollte in einer stressigen Atmosphäre etwas Kreatives entstehen?

Vielleicht ging es ja auch anderen so, nur sprach niemand darüber?

Ja, welche Art von Kreativität war damit überhaupt angestrebt bzw. welches Verständnis von Kreativität steckte hier dahinter?

Es ging bei der Übung, ja bei dem ganzen Seminar nicht darum, Fragen zu stellen. Es ging um schnelle Antworten. Für Neugierde, für spielerisches Erkunden war kein Platz. Jeder sollte für sich zu Lösungen kommen, es ging um Konkurrenz (wer ist schneller, wem fällt mehr ein?), ein wirkliches Miteinander war nicht erwünscht.

Was fördert Kreativität?

In meinem Blogartikel „Die Kraft der Bewertung bei der Veränderung“ erwähnte ich, dass ich wieder auf den Vortrag* „Müssen wir umdenken, umfühlen oder etwas einfach nur ganz anders machen, damit sich unser Gehirn verändert?“ von Gerald Hüther zurückkommen würde. In diesem Vortrag weist Hüther aus neurobiologischer Sicht auf Zusammenhänge in Sachen Kreativität hin.

Hektisch und hocheffizient benutzt man wenig Gehirn

Hüther erzählt von einem Experiment: Ein Mann soll eine bestimmte Aufgabe hocheffizient lösen, nämlich virtuell im Computerscanner auf einer Rennbahn Auto fahren.

Während er so in seinem Auto dahinjagt, sieht man, dass im Gehirn nur wenig Bereiche aktiviert werden. Wenn man hektisch und hocheffizient Probleme lösen will, benutzt man also relativ wenig Gehirn.

Neues entsteht, wenn bisher Unverbundenes verknüpft wird

Dann wird die Versuchsanordnung geändert. Man schiebt den Mann nochmals in den Scanner, diesmal in der Rolle des Beifahrers.

Nun zeigt sich Bemerkenswertes: Viele Bereiche im Gehirn sind aktiv. Hüther: „Jetzt erst kann er auch riechen, noch etwas anderes sehen als nur die Straße, noch ein bisschen was hören außer Motorengeräusch, Erinnerungen wachrufen, Ideen haben – und das ist die kreative Phase.“

Gerald Hüther erklärt, dass sich nur dann neue Verbindungen im Gehirn bilden können, wenn viele verschiedene Netzwerke aktiviert werden. Wissen, das bisher unverbunden war, wird dann möglicherweise verknüpft. So entsteht Neues.

Neues entsteht ohne Druck und Angst

Damit Neues in die Welt kommt, müssen also bestimmte förderliche Bedingungen vorliegen: viele Sinneseindrücke, frei sein von Angst und Druck.

Im anderen Fall werden wir in dem immer besser, was wir bisher schon können.

*Gerald Hüther: Müssen wir umdenken, umfühlen oder etwas einfach nur ganz anders machen, damit sich unser Gehirn verändert? Vortrag auf dem Heidelberger Symposium „Gehirn und Körper“ vom März 2008.

Website Gerald Hüther

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