Hans-Peter Dürr: Eine neue Qualität der Arbeit

Für den Quantenphysiker Hans-Peter Dürr ist Arbeit, die dem Menschen dient, kreativ: wir sind dann im Dialog mit dem, was wir tun. Arbeit wird zur Berufung und Lebenskunst. Und: Wir dürfen das Rad neu erfinden!

Dieser Artikel ist erstmals am 24. Mai 2014 erschienen.

Hans-Peter Dürr ist am 18. Mai 2014 gestorben. Ich durfte den Physiker bei der Visions-Tagung 2010 in Küsnacht bei Zürich erleben. Vor ein paar Jahren bin ich auf Aufsätze von ihm zum Thema „Arbeit“ aufmerksam geworden, die mich tief beeindruckt haben.

Eine andere Welt ist möglich

„Die Qualität der Arbeit liegt im Kreativen, im Schöpferischen begründet.“ So Hans-Peter Dürr.

In den Artikeln „Ideen zur neuen Qualität der Arbeit“ und „Der Mensch ist das Maß. Aus einem Gespräch über die Arbeit“ setzt sich Hans-Peter Dürr mit unserem Wirtschaftssystem und unserem Menschenbild auseinander.

Dürr zeigt Alternativen auf. Es geht ihm um die Gestaltung einer zukunftsfähigen und für die Menschen lebenswerten Zukunft. Er weist darauf hin, dass wir uns am Paradigma des Lebendigen orientieren sollten, dem zufolge es immer Alternativen gibt: „Eine andere Welt ist möglich!“.

Ein gutes und sinnvolles Leben führen

Dürr findet klare Worte: „Wir brauchen eine Gesellschaftsordnung, die allen Menschen ermöglicht, einen Platz in der kleineren und größeren Gesellschaft zu finden und ihnen die Chance gibt, entsprechend ihrer Eignung, ihren persönlichen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können.“

Wenn wir von mehr und besseren Arbeitsplätzen sprechen, sollten wir da nicht zunächst an die Menschen denken und ihre wesentlichen Bedürfnisse?

„An Menschen, die leben wollen, mehr: ein gutes und sinnvolles Leben führen wollen und dafür auch bereit sind, sich persönlich einzubringen und für die Gesellschaft etwas zu leisten.“

Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit

Arbeit wird heute meist als Erwerbsarbeit definiert, d.h. wir arbeiten, um Geld zu verdienen. Hans-Peter Dürr betont jedoch die ganz eigene, existientielle Bedeutung, die Arbeit für den Menschen hat.

Dürr unterscheidet „Handeln“ von „Machen“:

Handeln hat die Struktur eines Dialogs. Wir sind in Beziehung mit dem, was wir tun. Das kann anstrengend sein, doch wenn es vollbracht ist, kann es Glücksgefühle hervorrufen.

Machen hingegen liegt vor, wenn Abläufe bereits vorgegeben sind. Jede Abweichung wird als Fehler kritisiert. Alles soll schnell gehen, das kreative Handeln wird als ineffektiv eingestuft. Der Mensch wird fast zum Roboter.

Das Rad neu erfinden

Was mich beim ersten Lesen der erwähnten Artikel fasziniert hat, war ein neuer Blick auf „Das Rad nicht neu erfinden“.

Ich habe zu diesem Zeitpunkt im Wissensmanagement einer Beratungsfirma gearbeitet. Irgendwann kam diese Redewendung auf und dann wurde sie wie ein Mantra zitiert, sobald es um das „Managen von Wissen“ in einem Unternehmen ging. Prozesse und Strukturen sollten eingeführt werden, die verhindern, dass wir Arbeitsabläufe wiederholen.

Hans-Peter Dürr schreibt: „Qualität kommt eigentlich nur dann in die Arbeit, wenn man abgeht von dieser Mengenproduktion und nicht sagt: Warum soll ich das Rad neu erfinden? Das Rad wurde immer und immer wieder neu erfunden. Jeder, der zum ersten Mal das Rad wieder selber macht oder es gebraucht, hat ein Aha-Erlebnis, das sein Leben prägt.“

Die Natur ist ineffizent nach dem Begriff der Ökonomie von Effizienz

In der Natur gibt Wiederholungen, jedes Frühjahr bekommen die Bäume wieder Knospen und werfen die Blätter im Herbst wieder ab. Aber da passiert nicht jedes Mal dasselbe.

Dinge in der Natur, die als dasselbe erscheinen, sind nur ähnlich, „sodass in dem Zusammenfließen von Ähnlichem wieder eine neue Struktur entsteht.“ Das führt zur Vielfalt in der Natur.

Qualität der Arbeit: Kreativität

In jedem Menschen ist diese Vielfalt der Natur angelegt. Das Ziel sollte sein, dass jeder Mensch sie auch ausdrücken kann. So bringt er seine Besonderheit in die Vielfalt des Lebens ein. Warum sollten wir das manchen Menschen zugestehen und anderen nicht?

Für Hans-Peter Dürr hat Qualität der Arbeit etwas mit Kreativität, dem Schöpferischen zu tun, denn sonst ist in der Arbeit keine Qualität, sondern nur Exaktheit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit – und das ist vielleicht für das Produkt gut, das entsteht, aber nicht unbedingt für den Menschen.

Weiterführende Links:

Nachruf auf Hans-Peter Dürr GCN – Global Challenges Network

Publikationen von Hans-Peter Dürr

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