Kai Romhardt: Wir sind die Wirtschaft (Rezension)

Kai Romhardt zeigt in seinem 2009 erschienenen Buch „Wir sind die Wirtschaft. Achtsam leben – Sinnvoll handeln“ Wege zu einer Wirtschaft auf, die dem Leben und dem Menschen dient. Die Veränderung beginnt bei uns selbst. Doch auch die Ökonomie selbst muss einige Annahmen, auf die sie gründet, hinterfragen.

Dieser Artikel ist erstmals am 03. Juni 2014 erschienen.

Eine sinnvollere Wirtschaft schaffen

“Die beste Investition, die wir als Menschen tätigen können, ist die Investition in unseren eigenen Geist.” (Kai Romhardt)

Mich beschäftigt die Frage sehr, wie wir unser wirtschaftliches Denken und Handeln lebensförderlicher gestalten können. Daher hat mich dieses Buch interessiert.

Nach einer tiefen Sinnkrise kam Kai Romhardt zur Erkenntnis, dass die Veränderung unserer Wirtschaft bei uns selbst beginnt. Der Autor will mit diesem Buch die Koordinaten einer „Achtsamen Wirtschaft“ vorstellen. Voraussetzung dafür ist für ihn, dass die Ökonomie eigene Grundannahmen hinterfragt.

Zielgruppe des Buches “Wir sind die Wirtschaft”

Die Kernaussage des Buches, die sich auch im Titel widerspiegelt, ist: Wirtschaft ist ein System, das wir jeden Tag selbst erschaffen. Zielgruppe des Buches sind somit wir alle. Alle sind beteiligt und verantwortlich. Und wir können ein neues System kreieren.

Das Buch versteht sich als „Einladung, einen achtsamen Pfad zu betreten, in einen offenen Prozess einzutreten und mit kleinen Schritten eine sinnvollere Wirtschaft zu schaffen.“ (S. 16)

Achtsam wirtschaften

Das Buch gliedert sich in die Themenfelder Arbeit, Geld und Konsum. „Wir sind die Wirtschaft“ ist sowohl eine Diagnose unserer heutigen Situation als auch eine Vision.

Wir können einen Beitrag leisten, indem wir uns genau überlegen, welche Arbeit wir verrichten, wo und wie wir unser Geld veranlagen und wie wir konsumieren. Und wir brauchen eine Wirtschaftsvision, die uns inspiriert. Für den Autor ist die Aufgabe der Wirtschaft, uns zu helfen Freude und Glück zu kultivieren.

Ökonomische Begriffe und Konzepte gehen mit einem Menschenbild einher. Der Autor wählt das Menschenbild des Buddhismus, dem gemäß der Mensch nicht ein auf seinen eigenen Vorteil bedachter Nutzenmaximierer ist, sondern von Natur aus liebevoll und mitfühlend.

Wir sind die Arbeit, das Geld und der Konsum

Kai Romhardt erzählt von seinen eigenen Erfahrungen. Er gibt dem Leser und der Leserin viele Anregungen, um die eigene Einstellung kritisch zu untersuchen. Lückentexte, Meditationsanleitungen und Übungen ermöglichen ein tiefes Durchdringen des Gelesenen und einen Transfer in das eigene Leben.

So z.B. der Lückentext „Was ist Geld für mich?“ mit „Geld ist...“, „Ohne Geld....“, „Mit zehn Millionen Euro würde ich...“ und vielen anderen Sätzen, der für mich teilweise zu Ergebnissen führte, die mich überraschten und nachdenklich machten. Oder die „Geistige Input-Analyse“ beim Thema Konsum: Wie viel Stunden verbringen wir pro Woche mit diversen Medien?

Umgang mit sich selbst

Für Kai Romhardt beginnt der Weg zu einer sinnvolleren, achtsameren Wirtschaft bei jedem Einzelnen: bei unserem eigenen Geist, unseren Geisteszuständen. Er orientiert sich dabei am ethischen Leitrahmen des Buddhismus.

Der Autor schreibt von „Krankheit des Geistes“ oder „Giften“, wenn es etwa um Angst, Trauer oder Wut geht. Ziel sei die „Zähmung“ dieser Geisteszustände. Und er schreibt an vielen Stellen „Wir sollten“ oder „Wir müssen“. Das ist nicht meine Sichtweise oder besser: nicht die Art und Weise, wie ich mit mir umgehen will und die ich als förderlich empfinde. Bei „du musst“ z.B. gehen meiner Ansicht nach nicht nur andere in eine Angst- oder Widerstandshaltung, sondern auch unsere eigenen inneren Anteile.

Wir leben in einer langen Tradition von Mustern der Kontrolle und Dominanz. Das kommt für mich auch hier zum Ausdruck. Ich nehme an, dass in den meisten von uns diese kalte, harte Sprache der Trennung lebt: gut/schlecht, richtig/falsch, krank/gesund, das darf sein/das darf nicht sein etc.

Ich frage mich: Welche Haltung und welche Sprache ist hilfreich, wenn es einem um eine lebensförderliche Entwicklung geht? Wie sprechen wir zu uns selbst, wie gehen wir mit unserem inneren Erleben um und wie agieren wir mit anderen?

Fazit

„Wir sind die Wirtschaft“ ist ein Buch, das viele Anregungen und Ansätze enthält, unser eigenes Denken und Verhalten sowie das Wirtschaftssystem, das wir geschaffen haben, zu hinterfragen. Vor allem aber bleibt es dabei nicht stehen, sondern unterstützt den Leser und die Leserin dabei, Neues auszuprobieren und im Alltag zu üben.

Es finden sich viele Anhaltspunkte, um mit anderen über Arbeit, Geld und Konsum ins Gespräch zu kommen. Der Autor ruft denn auch am Schluss dazu auf, sich mit anderen zusammenzutun und sich auszutauschen. Das finde ich ganz entscheidend über das individuelle Praktizieren von Achtsamkeit hinaus.

Mich regt das Buch an, der oben angeführten Frage weiter nachzugehen: Welche Haltung und welche Sprache ist hilfreich, wenn es einem um eine lebensförderliche Entwicklung geht?

Das Layout emfpinde ich als sehr angenehm, Grafiken machen das Gelesene anschaulich und lockern den Fließtext auf.

Angaben zum Buch

Kai Romhardt, Wir sind die Wirtschaft. Achtsam leben – Sinnvoll handeln (2009)

Weiterführender Link

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