Gefühle zulassen bringt dich in deine Lebendigkeit

Wenn du deine Gefühle zulässt, ist das wie ein Fluss, der fließen darf. Du bist im Flow. Gefühle zulassen, das gelingt, wenn du all Gefühle, die in dir auftauchen, achtsam wahrnimmst. Dann kannst du auch Anteile in dir befreien, die feststecken; Emotionen, die in dir festgefroren sind. Du bist nicht mehr mit angezogener Handbremse unterwegs. Du gelangst in deine volle Lebendigkeit. Deine Power.

Was sind Gefühle?

Gefühle haben es nicht leicht. Sie werden ignoriert. Sie werden belächelt. Sie werden als minder gegenüber den Gedanken bewertet.

In der geschäftlichen Besprechung dürfen Gefühle nicht sein, weil sie angeblich unser Denken vernebeln; schnell ist der Vorwurf im Raum, “zu emotional” zu sein.

In der Liebesbeziehung sollen sie reichlich vorhanden sein, da soll dann "Gefühlsarbeit geleistet" werden; in Karikaturen ist dazu die Frau zu sehen, die ihren Mann zu einem Gespräch über seine Gefühle bringen will – der versteckt sich allerdings hinter der Tageszeitung; in der modernen Version drückt er mit starrem Gesichtsausdruck auf dem Handy herum.

  • Doch was sind Gefühle eigentlich?

  • Sind sie wichtig?

  • Und warum gehen wir so widersprüchlich mit ihnen um?

Mir helfen Unterscheidungen. Damit meine ich, mit Gefühl nicht alles zu bezeichnen, was nicht analytischer Verstand ist. Gefühle werden häufig als irrational bezeichnet. Ja, das sind sie. Nicht im Sinne von: Sie sind schlechter oder minderwertig. Sondern in dem Sinne, dass sie anders als der rationale Verstand sind. Sie gehen über den rationalen Verstand hinaus. Doch sind Gefühle nicht die einzigen Phänomene, die das tun.

5 grundlegende Gefühle

Zu den Gefühlen im engeren Sinne zähle ich:

Trauer

Angst

Wut

Freude

Scham

Viel gelernt habe ich hier von Vivian Dittmar, die in ihren Büchern näher auf Gefühle und Emotionen eingeht.

Was sind die Funktionen der 5 Gefühle?

Gefühle sind Wegweiser. Sie weisen uns auf etwas hin, das für uns jetzt gerade wichtig ist.

  • Trauer: öffnet unser Herz, würdigt das, was war, hilft uns, anzunehmen, was wir nicht ändern können

  • Angst: uns dem Unbekannten, dem Unwissen hingeben, uns in Neues vorwagen, ohne unnötige Risiken einzugehen

  • Wut: die Kraft "Nein" zu sagen, sich gesund abzugrenzen und Neues in die Welt zu bringen

  • Freude: unsere Bestimmung finden und leben, genießen, Freude, Vertrauen und Sinn erleben

  • Scham: Situationen, in denen wir Scham fühlen, weisen uns den Weg zu uns selbst, zu unserem inneren Erleben. Scham hilft uns, uns verletzlich zu zeigen. Wir lernen, uns in allem anzunehmen und weiterzuwachsen, wir lernen, uns zu verzeihen, im besten Sinne demütig zu sein

Gefühle und Flow

Wie geht es dir, wenn es regnet? Häufig empfinden wir Regen als störend. Hält er uns nicht davon ab, rauszugehen, uns genüsslich im Freien zu bewegen und gemeinsam mit anderen etwas zu unternehmen?

Auf den ersten Blick mag das so sein. Doch wenn ich näher hinschaue, merke ich, wie wichtig der Regen ist. Weil die Pflanzen Wasser als Nahrung brauchen. Gerade im Sommer wird das deutlich, wenn es schon länger nicht geregnet hat und die Erde ausgetrocknet ist.

Wasser als Element wird meist mit Gefühlen in Verbindung gebracht. Wasser fließt. Wenn wir unsere Gefühle zulassen, dann dürfen sie frei fließen. Wir unterdrücken unsere Gefühle dann nicht. Nichts staut sich. Wir halten nichts zurück. Wir fühlen uns im Flow. Wir fühlen uns empowered.

Heißt Gefühle zulassen, einfach alles rauszulassen?

Eine Frage taucht meist auf, wenn es um den freien Fluss der Gefühle geht: Ja, soll ich denn, darf ich denn einfach rauslassen, wie ich mich gerade fühle?

Nein, das meine ich nicht damit.

Ich sage nicht: Lass deine Gefühle einfach raus. Kotz dich aus. Kotz andere an.

Denn was würde das bedeuten? Wenn du Wut auf jemanden empfindest, dann wäre das wie eine Rechtfertigung, mit Worten oder Fäusten zuzuschlagen.

Und oft ist die Gewalt ja subtiler. Da meint jemand, besonders spontan zu sein, indem er immer geradeheraus sagt, was er gerade denkt oder fühlt. Ich hatte eine Tante, die war so. Als Kind haben mich ihre Bemerkungen sehr gekränkt.

Wenn jemand auf diese Art schlagfertig ist, besteht meist keine Pause zwischen eigener Empfindung und dem Handeln – außer diese Person agiert bewusst und mit Absicht so verletzend.

Sind wir auf diese Weise unterwegs, dann handeln wir aus unseren alten Mustern heraus.

Wir nehmen uns aus der Verantwortung für unsere Taten. „Ja, ich habe ihm eine Ohrfeige gegeben, aber ich kann ja nicht anders, er hat mich provoziert und das hat mich wütend gemacht“.

Gefühle zulassen beginnt beim Gefühle wahrnehmen

Doch wie anders? Gefühle nicht unterdrücken, aber auch nicht einfach rauslassen und andere damit verletzen. Wie können wir sie trotzdem zulassen?

Es beginnt damit, deine Gefühle wahrzunehmen.

Das setzt einige Schritte voraus:

  1. Deine Sichtweise auf Gefühle: Gefühle sind hilfreiche Wegweiser. Gefühle sind wichtig. Auch die sogenannten negativen Gefühle wie Angst, Wut und Traurigkeit.

  2. Jedes Gefühl darf sein, ist aus gutem Grund da, darf gefühlt werden.

  3. Es zu fühlen bedeutet noch nicht, ein Gefühl auszuagieren.

Dann kannst du bewusst entscheiden, wie du reagieren willst.

Hast du ein Gefühl wahrgenommen, kannst du eine Entscheidung treffen, wie du reagieren möchtest.

Das braucht eine Pause. Ein Heraustreten aus dem reflexhaften Reagieren: Ich bin wütend – wumms, ich schlage zu.

Die Pause kann ein nur kurzes Innehalten sein. Doch sie ermöglicht, dass du das Reiz-Reaktions-Muster unterbrichst.

Wenn du bewusst reagierst, ist es eigentlich gar kein reagieren mehr. Es ist ein Antworten. Du antwortest in der spezifischen Situation. Im Englischen gibt es dafür die schöne Unterscheidung zwischen reaction und response. Von response leitet sich dann responsability ab. Verantwortung.

Du musst dich nicht verantwortlich fühlen für das, was du fühlst, aber du kannst wählen, dich verantwortlich zu fühlen für deine Reaktion bzw. Antwort: für das, was du tust oder nicht tust in einer gegebenen Situation.

Wenn ich meine Gefühle zulasse, dann habe ich Zugang zu meinen authentischen Gefühlen, zum ganzen Spektrum meiner Lebendigkeit.

Das sind dann nicht nur Gefühle der Freude und Zuneigung, sondern auch Gefühle der Trauer, der Wut, der Angst. Doch Traurigkeit, Wut und Angst können sich wandeln, wenn ich sie anschaue, wenn ich sie wahrnehme - und nicht gleich verurteile, wegdränge oder gar nicht zulassen kann.

Doch wie kommt es, dass wir Gefühle unterdrücken?

Ein wesentlicher Grund, warum es vielen schwer fällt, die eigenen Gefühle zuzulassen, liegt in der Art und Weise, wie wir den Umgang mit unseren Gefühlen gelernt haben: wie es uns vorgelebt wurde und wie Erwachsene mit uns umgegangen sind.

Der Umgang mit den Gefühlen wird in der Kindheit geprägt

Unsere Eltern oder andere nahe Bezugspersonen spielen eine ganz entscheidende Rolle, wie wir lernen, unsere Gefühle wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen. Es ist eine Kompetenz, die wir lernen: Gefühlskompetenz.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Gesellschaft und Kultur, in der wir aufwachsen: mit ihren Vorstellungen, Normen und Tabus – aus all dem bilden wir Glaubenssätze. Und in diese Kultur sind ja unsere Eltern und Bezugspersonen ebenfalls eingebunden, auch sie haben ihre Lern- und Erfahrungsgeschichte.

  • Als Kind nimmst du wahr, wie deine Bezugspersonen auf deinen spontanen Selbstausdruck reagieren oder antworten.

  • Wenn du wütend bist, dann erlebst du vielleicht deine Mutter, wie sie ablehnend auf diese Wut reagiert.

  • Du bekommst den Eindruck: „Wut darf nicht sein. Wut ist schlecht. Wenn ich wütend bin, bin ich schlecht. Wenn ich wütend bin, bin ich böse. Wenn ich nicht wütend bin, bin ich brav. Wenn ich brav bin, werde ich geliebt. Wenn ich nicht geliebt werde, werde ich verstoßen, dann sterbe ich.“

Kinder bilden sich ihre eigenen Kausalketten, also Ursache-Wirkungs-Ketten: Wenn ich X, dann Y. Wann Y, dann Z… Dahinter steht eine Grundangst: nicht geliebt, verlassen, verstoßen zu werden.

Diese Kausalketten leben dann in einem fort, sie werden im Organismus abgespeichert. Und auch die konkrete Situation der Ablehnung lebt im Körper als Erinnerung weiter.

Die Auswirkungen im Erwachsenenleben, wenn Gefühle nicht sein durften: Emotionen werden getriggert

Bist du dann als Erwachsene wütend, weil jemand etwas tut, wobei du dich zurückgestoßen oder nicht beachtet fühlst, dann kommt deine Kausalkette ins Spiel. Du reagierst in einer Art und Weise, die in der Situation gar nicht angemessen scheint. Warum regst du dich derart auf, wenn eine Freundin dir für ein Treffen absagt, fragst du dich verwundert.

Hier handelt es sich dann nicht um Gefühle, sondern Emotionen. Gefühle und Emotionen werden oft bedeutungsgleich verwendet. Es macht jedoch Sinn, sie zu unterscheiden. Bei den Emotionen spreche ich von eingefrorenen Gefühlen, inneren Eiswürfeln.

Es braucht ungeheuer viel Energie, diese Emotionen nicht zu spüren. Sie immer wieder unter den Deckel zu drücken. Wenn du deine Emotionen auftaust, dann trägst du auch wesentlich zu deiner Resilienz bei.

Unterschied Emotionen und Gefühle: Siehe dazu mein Blogartikel „Emotionen sind wie Gefühle, die eingefroren sind – die inneren Eiswürfel lassen sich auftauen”

Gefühle zulassen: Tipps und Methoden

Was also konkret tun, um zu lernen, deine Gefühle zuzulassen?

Du kannst in deine innere Landschaft hineingehen. Und hier den Anteilen begegnen, die bestimmte Wertungen und Glaubenssätze angenommen haben. Und auch den Gefühlsanteilen, die eingefroren sind – und nun als Emotionen in dir wohnen und bei bestimmten Situationen hochkommen.

Das setzt einen sehr respektvollen, achtsamen Umgang mit sich selbst voraus. Auch eine offene, neugierige Haltung. Das wird uns nicht immer idealtypisch gelingen, doch wir können uns entscheiden, das als unsere Haltung zu wählen. Und das bedeutet dann auch: Wenn es uns nicht gelingt, wir etwas in uns angreifen, verspotten, verletzen - dass wir dann auch das in Offenheit wahrnehmen und mit ihm sind.

Das „Selbst in Präsenz“

Was dafür notwendig ist, ist zunächst die Annahme und dann auch das direkte Erleben, dass es so etwas wie ein „Selbst in Präsenz“ gibt. Manche sprechen auch vom „authentischen“ oder „wahren“ Selbst.

Es ist die Instanz in uns, die mit allem, was in uns auftaucht, SEIN kann. Ohne Verurteilung und Bewertung. Ohne sich mit einem Teil zu identifizieren.

Von dieser Position aus kann ich in einzelne Anteile hineingehen, hineinspüren - und erkunden, wie es sich von seiner Warte aus anfühlt.

Zum Beispiel: Wie ist es für diesen wütenden Anteil in mir?

  • Wo nehme ich ihn wahr?

  • Was nehme ich da genau wahr? An Bildern, Farben, Gefühlen, Körperempfindungen, Erinnerungen. Welcher Felt Sense formt sich?

  • Und welche Worte finde ich dafür? Welche Worte passen?

So viel verändert sich alleine dadurch, dass sich diese Teile endlich gesehen und ernst genommen fühlen.

Wir brauchen dafür einen achtsamen Raum der Zuwendung, Präsenz und Offenheit. Den können wir uns selbst gestalten. Und es ist hilfreich, wenn jemand anderer für uns die Präsenz hält.

Es ist ein Geschenk, wenn jemand anderer bei uns ist, selbst in der wertungsfreien “Selbst-in-Präsenz”-Haltung, und wir in die Erkundung unserer Anteile gehen können. Das kann ein Coach oder Therapeut sein, aber auch jede Person, die darin geschult und geübt ist.

Dir selbst zu den Eltern werden, die du dir gewünscht hättest

Du kannst dir mit dieser „Selbst in Präsenz“ selbst zu den Eltern werden, die du dir gewünscht hast. Statt deinen Eltern dein ganzes Leben lang Vorwürfe zu machen, kannst du wählen: Ich bin jetzt Vater und Mutter für mich, für meine inneren Anteile, meine inneren „jüngeren Selbste“, die sich steckengeblieben und blockiert fühlen. Ich bin selbst verantwortlich für mich und für mein Leben.

Warum das Ganze? Weil du dich dann dafür entscheidest, deine Lebendigkeit mehr und mehr zu befreien

  • Du lässt dich nicht mehr länger von den Triggern herumschleudern, die bestimmte Menschen und Situationen in dir auslösen.

  • Du gewinnst deine Kraft und Macht (im positiven Sinne) wieder.

  • Du trägst dazu bei, deine Resilienz aufzubauen.

  • Und nur mit diesem Empowerment, dieser deiner Power, fühlst du dich ermächtigt, deinen Weg zu gehen, dein Leben zu leben: Einzustehen für das, was dir wirklich wichtig ist. Aufzustehen, wenn etwas für dich nicht in Ordnung ist. Dich einzusetzen für das, was deinen tiefsten Werten entspricht.

Wie geht es dir damit, deine Gefühle zuzulassen? Schreibe gerne in die Kommentare.

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Emotionen sind wie Gefühle, die eingefroren sind - sie lassen sich auftauen

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