Was ist ein Felt Sense eigentlich?

Ein "Felt Sense" ist die körperlich gespürte Bedeutung eines Themas oder einer Situation. Er ist ein Begriff und Konzept aus der Prozess-Methode Focusing. Ich zeige dir in diesem Artikel anhand eines Beispiels, wie der Felt Sense dabei hilft, eine Entscheidung zu treffen, wenn viel auf dem Spiel steht.

Dieser Artikel ist erstmals am 23. Juli 2020 erschienen, hier liest du die aktualisierte Fassung.

Was bedeutet Felt Sense?

Ein "Felt Sense" ist die körperlich gespürte Bedeutung eines Themas oder einer Situation. Auf Deutsch übersetzt lautet der Ausdruck "gefühlte Bedeutung" oder "gespürtes Wissen". Geprägt wurde er vom Psychotherapeuten und Philosophen Eugene Gendlin. Gendlin hat die Methoden Focusing und Thinking at the Edge. Bei beiden spielt der Felt Sense eine entscheidende Rolle.

Mit dem Felt Sense kannst du in Beziehung treten. Das hilft dir bei vielen Fragen und Situationen.

Vor allem ist es hilfreich bei der Entscheidungsfindung. Wie das? Damit es deutlicher wird, bringe ich dir ein Beispiel.

Wie der Felt Sense bei der Entscheidungsfindung hilft

Du kannst dich nicht entscheiden, obwohl doch alles dafür spricht

Stell dir vor: Du fragst dich, ob du eine bestimmte Ausbildung machen sollst.

  • Du hast schon lange hin- und herüberlegt.

  • Du hast dir Unterlagen über die Ausbildung beschafft.

  • Du bist auf einen Infoabend gegangen.

Und das alles klingt sehr ansprechend für dich. Und doch bist du dir nicht sicher, ob es richtig ist, damit zu beginnen.

Du machst eine Pro- und Kontraliste. Vieles spricht dafür:

  • Dir würden sich beruflich mehr Möglichkeiten eröffnen.

  • Du hättest auch wieder mehr Abwechslung, indem du etwas Neues lernst.

  • Du würdest interessante Menschen kennenlernen.

Was lässt dich also noch zögern?

Da ist dieses unbehagliche Gefühl in deinem Magen. Je mehr du dir die Pluspunkte vor Augen führst und je mehr du deinem Partner über "diese tolle Ausbildung" erzählst, umso größer wird der mulmige Klumpen in deinem Oberbauch.

Mit Analyse alleine kommst du nicht weiter

Ich habe selbst lange Zeit versucht, alles vom Kopf her zu lösen. Weil ich gelernt habe, dass der Intellekt zählt – und weil ich da mithalten wollte (und als Frau nicht in die "Gefühle-sind-irrational-und-Frauensache"-Lade gesteckt werden wollte). Doch wie du in dem Beispiel siehst: Mit reiner Analyse kommst du nicht weiter.

Ein "Etwas" möchte deine Aufmerksamkeit

Alles scheint für die Ausbildung zu sprechen. Dennoch ist da etwas, das dir signalisiert: Halt, schau das näher an! Etwas will deine Aufmerksamkeit.

Dieses "Etwas" ist das, was du als Felt Sense in deinem Inneren spürst.

Das "Etwas" ist mehr als ein bestimmtes Gefühl. Auch wenn du dir erklärst: "Ah, ich habe einfach Angst davor. Das ist ja normal, wenn man etwas Neues beginnt." Es wird dir nicht helfen, eine stimmige Entscheidung zu treffen.

Dein Körper weiß etwas, das du vom Verstand her noch nicht erfassen kannst

Dein Körper trägt die Bedeutung einer Situation oder eines Themas. Und mit Körper ist hier mehr gemeint als der physische Körper, der mit Körpersymptomen wie Schmerz oder Spannung zu dir spricht.

Gemeint sind auch Wahrnehmungen von Qualitäten wie Enge, Leere, Weite und Sehnsucht. Und ebenso damit in Verbindung stehende innere Bilder und aufsteigende Erinnerungen.

Dein derart vielschichtiger Körper weiß etwas, das du mit dem analysierenden Verstand allein nicht erfassen kannst.

Der Felt Sense ist nicht statisch. Wenn du mit dem Felt Sense verbunden bist, dann verändert er sich – und damit verändern sich auch du und deine Beziehung zu dem Thema. Du erhältst Hinweise, was in der Situation gerade richtig ist.

Du lernst durch den Felt Sense Wertvolles über dich

Wenn du dich in einen Prozess hineinbegibst, um dieses "Etwas" einer Situation näher zu erkunden, dann ist offen, was dabei herauskommt. Es ist wichtig, Offenheit mitzubringen, dich nicht unter Druck zu setzen und ein bestimmtes Ergebnis zu wollen.

Vielleicht fühlt es sich danach dennoch richtig an, die Ausbildung zu machen. Doch du gehst dann mit einer ganz anderen Einstellung hinein. Etwas in dir hat sich verändert. Du hast etwas Wertvolles über dich gelernt.

Was könnte das sein? Möglicherweise hat sich ein unsicherer Teil in dir gezeigt, der sich nicht gut genug fühlt. Der Angst hat, dass du die Ausbildung nicht schaffst und dich als Versagerin fühlst.

Mit diesem Teil in dir kannst du in Kontakt gehen, er will gesehen und gehört werden.

Doch ist das nur ein Beispiel – denn was sich für dich im jeweiligen Prozess zeigt, ist ganz individuell. Das macht es so spannend!

Mithilfe des Felt Sense kannst du bewusster entscheiden

Es ist dann immer noch deine Aufgabe, eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht klingt es zunächst paradox, doch mithilfe des Körperwissens kannst du dann bewusster entscheiden.

Der Felt Sense wird so zu einem hilfreichen Werkzeug für die Entscheidungsfindung. Gerade dann, wenn viel auf dem Spiel steht und wo eine vorschnelle Entscheidung entweder aus dem Kopf oder aus dem Bauch nicht so zielführend ist.

Und die Entscheidung wird mehr im Einklang sein mit dem, wer du bist und was dir wirklich wichtig ist. Der Felt Sense kann dir zu einem Wegweiser werden bei der persönlichen Entwicklung und beruflichen Neuorientierung: der Gestaltung deiner Berufung.

Wie geht es dir mit solchen Entscheidungssituationen? Beziehst du dein Felt-Sense-Wissen mit ein? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

(Die bereits vorhandenen Kommentare konnte ich beim Umzug auf die neue Webseite leider nicht übernehmen.)

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