Die YIN-Zeit ruft zur Ruhe und zur Essenz
Es ist nasskalt. Nebelschwaden lassen kein Sonnenlicht durchscheinen. Möchtest du dich am liebsten verkriechen? Ab Ende Oktober ist deutlich spürbar, dass der Herbst hier ist. Es beginnt die Zeit, in der die YIN-Qualitäten ganz besonders wirksam sind: Das Dunkle, das Nährende, die Essenz. Wir spüren das Bedürfnis nach Rückzug und Innehalten.
Ich halte Yin und Yang aus der fernöstlichen Philosophie für ein hilfreiches Konzept
Vielleicht hast du schon bemerkt, dass ich die Begriffe Yin und Yang verwende. Sie kommen in der ReConnect Kreis-Spirale vor. Yin und Yang stammen aus der fernöstlichen Philosophie und Medizin. Für mich ist es ein hilfreiches Konzept: Laut der Philosophie des Taoismus beinhalten alle Erscheinungen in der Welt einen Yin- und einen Yang-Anteil.
Yin und Yang bedingen einander und gehen ineinander über: so wie ein Berg, der teils im Schatten und teils in der Sonne liegt. Die Schattenseite, feucht und dunkel -, gehört zum Yin; die Sonnenseite - heiß und trocken – gehört zum Yang. Die Erde wird dem Yin zugeordnet, der Himmel dem Yang.
Mit diesen Zuordnungen ist keine Wertung verbunden, wie etwa "hell ist gut, dunkel ist schlecht". Beide brauchen und bedingen einander. Yin und Yang bilden ein Kontinuum mit vielen Schattierungen. In Yin ist Yang enthalten, in Yang ist Yin enthalten. Doch geht es immer wieder um Ausgleich, um Balance - denn weder ein zu viel an Yin ist förderlich, noch ein zu viel an Yang.
Das Yin wurde lange vernachlässigt und geringgeschätzt
In unserer westlichen Gesellschaft – und auch in anderen – ist seit langem ein zu viel an Yang feststellbar: die Orientierung geht nach außen und nach oben in den Himmel (in den Religionen); das Geistige, der rationale Verstand und das Tun werden derart in den Vordergrund gerückt, dass das Yin vernachlässigt wird.
Gleichzeitig wird das Yin auch geringer geschätzt: die Erde, die Materie, das Innehalten, die Ruhe, die Beziehung zum inneren Erleben und zur inneren Wahrheit. Und auch die dunkle, kalte Jahreszeit, in der Sterben und Tod spürbar sind.
Da Yang mit männlich und Yin mit weiblich gleichgesetzt wurde, hat das auch eine Geringschätzung von Frauen mit sich gebracht, und es wurde zum Freibrief, die Erde als "tote Materie" zu sehen, die uns Menschen gefügig zu sein hat. Gewalt an Frauen und Gewalt an der Erde und an anderen als menschlichen Lebewesen hängen zusammen.
Eintauchen ins Yin ist mehr, als kurz aufzutanken für die Busy-ness
Für mich bedeutet eine Pflege der Yin-Qualitäten nicht bloß, sich kurz Ruhe zu gönnen, um Kräfte zu tanken für den Strudel an beruflichen Tätigkeiten – sind doch viele davon Dinge, die uns die Seele rauben, uns zu erschöpft zurücklassen, um uns dem zu widmen, was wirklich wichtig ist. Für mich ist es mehr als kurz aufzutanken, um wieder einzutauchen in die busy-ness, die ständige Betriebsamkeit, die fortwährende Nutzenoptimierung, die uns die Augen davor verschließen lässt, dass wir mitwirken an der vorherrschenden Gewalt.
Die Yin-Qualitäten zu pflegen bedeutet für mich zu entdecken, dass wir mehr sind als die Leistungen, die uns abverlangt werden, um überhaupt eine Existenzgrundlage zu haben. Aus dem Still-Werden heraus können wir mit unseren tiefen Bedürfnissen und Wünschen in Kontakt treten. Und je länger ich auf diesem Weg bin und Menschen dabei begleite, desto mehr merke ich, dass aus der Tiefe nicht der Wunsch auftaucht, sich abzukapseln, gierig nach Dingen zu schnappen und mit anderen in Konkurrenz zu treten.
Es taucht vielmehr die Sehnsucht auf, in Beziehung zu sein: Mit sich selbst, mit der eigenen Essenz, mit anderen Menschen, mit dem Grashalm, dem Frosch, dem Berg und dem See. Wir merken, dass die Trennung, die wir so lange erlebt haben, dieses Abgespaltensein, nicht unser Mensch-Sein ausmacht, sondern nur eine Art der Wahrnehmung ist.
Yin ist der Raum, in dem das Neue behütet heranwachsen kann
Yin ist das, was uns in der Tiefe nährt. Der behutsame Raum, in dem sich das Neue entwickelt. Yin ist die schöpferische Kraft der Gebärmutter, in der das Kind geschützt und behütet heranwachsen kann. Es ist die Atmosphäre eines Wintertags, an dem die Luft glasklar ist, und der bereits die Moleküle in sich trägt, die sich für die kommende Vision zusammenfinden.
In der ReConnect Kreis-Spirale sind die Qualitäten des Yin dem oberen Halbkreis zugeordnet; er spannt sich von Westen über den Norden nach Osten. Aus der Sichtweise der Jahreszeiten beginnt Yin im Herbst und endet bei der visionären Qualität des kraftvoll Neuen, mit der der Frühling (bereits als Yang-Qualität) beginnt. Im Norden findet sich der Punkt des tiefsten Eintauchens in die Stille, jahreszeitlich sind das die Wochen Ende Dezember und Anfang Jänner.
Aus der nährenden Kraft des Yin können neue Projekte mit frischer Energie umgesetzt werden: sie werden aus dem Schoß des Yin geboren. Die Yang-Qualitäten befinden sich im unteren Halbkreis der ReConnect Kreis-Spirale.
Bild: Herbstbild - pixabay - Karl Egger
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