Die Pflanzen sprechen höre ich so gern
Neulich habe ich online einen Vortrag gehört über Resilienz. Es ging darum, wie sehr das Gefühl von Sinn dazu beiträgt, resilient zu sein – also immer wieder in die Balance zu kommen, auch nach schwierigen Situationen (siehe dazu auch mein Blogartikel: Was bedeutet Resilienz?). Der Vortragende hat von seinem Berufsleben erzählt: Er war früher Gärtner. Hat Pflanzen in einem Glashaus gepflegt. Es fehlte ihm etwas. Er fühlte sich nicht glücklich damit. Es gingen ihm die Menschen ab, das Gespräch mit ihnen. Und dann sagte er etwas, das mich aufhorchen ließ: "Wenn die Pflanzen zu sprechen beginnen, dann stimmt etwas nicht mehr."
Ich kann natürlich nicht beurteilen, wie das für diesen Mann war. Möchte ich auch nicht. Doch kann ich von meiner eigenen Sichtweise und Erfahrung sprechen:
Möglicherweise trägt zu einem Gefühl der Sinnlosigkeit bei, wenn wir die Pflanzen nicht sprechen hören.
Viele Menschen, die ich begleite, erzählen zunächst sehr scheu über die Verbundenheit, die sie in der Natur erleben. Es scheint mir dann, als würden sie abtasten, wie ich darauf reagiere. Finde ich das nicht normal? Bezeichne ich es als kindisch, gar als verrückt? Wenn sie dann merken, dass das für mich keineswegs so ist, leuchtet etwas in ihnen auf und strahlt aus ihnen heraus.
Sinn hat für mich wesentlich mit Beziehung zu tun. Wenn ich mit jemandem in Beziehung bin, dann spüre ich eine Verbindung. Miteinander in Verbindung zu sein, trägt Bedeutung mit sich. Wir sprechen miteinander, das kann auch ohne Worte sein. Wir teilen uns mit, wir lernen voneinander.
Für mich selbst hat sich Wesentliches in meinem Leben verändert, als ich gemerkt habe, dass ich nicht nur mit Menschen in Beziehung sein kann. Sondern auch mit Tieren, mit Pflanzen und mit Dingen. Auch mit den Tätigkeiten, die ich ausübe: mit dem Schreiben zum Beispiel.
Lange habe ich gedacht, es sei doch nicht normal, mit Pflanzen zu sprechen. Bei Haustieren ist das schon üblicher und noch am ehesten erlaubt. Doch mit Vögeln sprechen oder mit einer Spinne? Als Kind vielleicht akzeptiert, als Erwachsene bestenfalls schrullig.
Doch ich bekenne mich dazu: "Die Dinge singen höre ich so gern" (nach Rainer Maria Rilke).
Und erst recht die Bäume vor meinem Haus, die Bäume im Wald, die Löwenmäulchen auf meinem Balkon und die Glockenblumen in der Wiese, die Kuh auf der Weide und das Kohlmeisenpärchen im Nistkasten auf meinem Balkon.
Seit ich mich diesem Singen, dieser Kommunikation öffne, erfahre ich viel mehr Sinn. Der mich zutiefst erfüllt. Das möchte ich nicht mehr missen! So hat sich auch gewandelt, wie ich mein "Selbst" erlebe: es hat sich geweitet. Es fühlt sich viel weiter an in mir und um mich herum. Und das hat für mich sehr viel mit Resilienz zu tun.
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