Wie du deine Berufung achtsam gestaltest

Deine Berufung ist mehr als dein Beruf. Und doch ist die berufliche Neuorientierung häufig der erste Schritt zu einem erfüllten Leben: wenn du dabei auch lernst, achtsam mit dir selbst umzugehen und dich gut um dich selbst zu kümmern. In diesem Artikel zeige ich dir, welche Aspekte dabei wichtig sind und wie Kreatives Schreiben als kraftvolle Methode ins Spiel kommt.

Dieser Artikel ist erstmals am 30. Januar 2023 erschienen.

Berufung: Was bedeutet das?

Schauen wir uns zunächst das Wort an. Im Wort Berufung steckt der Beruf drin. Und der Ruf. Berufung könnte also etwas mit dem Beruf und einem Ruf zu tun haben.

2015 habe ich die Online-Berufungskonferenz durchgeführt. Und allen meinen Gesprächs-Partnerinnen die gleiche Einstiegsfrage gestellt: „Was verstehst du unter Berufung?“

Einige von ihnen haben den Ruf erwähnt. Eine Aufgabe, die dich ruft. Eine Lebensaufgabe, die nur du erledigen kannst. Ein inneres Rufen, das dich dazu bringt, einen Beitrag in der Welt liefern zu wollen. Oder auch bescheidener, darauf achten, was dich interessiert, wo es dich hinzieht.

Und meine Gäste haben auch über ihren Beruf geredet. Über ihre berufliche Tätigkeit. Berufung also ebenfalls damit in Verbindung gebracht.

Die Gespräche der Berufungskonferenz, mit erweiternden Ausführungen von mir, findest du in meinem Buch "Mutig mit dem Herzen führen. Gespräche mit Frauen, die ihre Berufung gestalten." (LINK setzen)

Beruf und Berufung sind nicht unbedingt deckungsgleich

Eine Schwierigkeit bei der Verbindung von Beruf und Berufung sehe ich darin, dass sich „Berufung“ nicht unbedingt mit dem Beruf deckt. Auch wenn das oft gleichgesetzt wird. Und Beruf wird mit der gleichen Bedeutung wie „Arbeit“ gesehen. Verständlicherweise wünschen sich viele Menschen, dass ihre berufliche Tätigkeit ihre Berufung ist.

Unter „Arbeit“ wiederum wird häufig nur die Erwerbsarbeit verstanden. Also die Tätigkeit, mit der wir unseren Lebensunterhalt verbinden. Eine Vorstellung, die dazu führt, dass wir alle anderen Tätigkeiten ausschließen – wie etwa, sich um Haushalt, Kinder und die alternden Eltern zu kümmern.

Arbeit ist meinem Verständnis nach aber mehr: Sorgearbeit, Freiwilligenarbeit, Engagement an dem Ort, an dem man lebt und vieles mehr. Ich mag die Definition des Philosophen Wilhelm Schmid. "Arbeit ist all das, was ich in Bezug auf mich und mein Leben leiste, um ein schönes und bejahrenswertes Leben führen zu können."[1]

Siehe dazu auch mein Podcast-Gespräch mit Wilhelm Schmid: “Was ist Arbeit?”

Berufung als zu großer, aufgeladener Begriff

Manche wollen das Wort Berufung nicht. Krampfhaft nach dem einen zu suchen, das da angeblich irgendwo auf uns wartet, kann uns tatsächlich blockieren.

  • Einige Frauen haben mir bereits gesagt, dass sich Berufung „zu groß“ für sie anfühlt. Oder auch egozentrisch. Sie wollen sich nicht bloß mit sich selbst beschäftigen. Sie wollen auch für andere da sein, ihre Beziehungen sind ihnen wichtig.

  • Im Wörterbuch steht als eine Definition: "Besondere Befähigung, die jemand als Auftrag in sich fühlt, zum Beispiel die Berufung zur Künstlerin." Da wird die Bestimmung zu etwas für angeblich besonders begabte und besonders kreative Menschen. Oder sie wird als etwas Religiöses gesehen, jemand fühlt sich zum Priesteramt gerufen (durchführbar zumindest in der katholischen Kirche dann nur für Männer).

  • Das Beispiel mit der Künstlerin könnte man auch anders sehen. Eine Autorin hat neulich darüber gesprochen, dass sie auch weitergeschrieben hat, als die Kritiken vernichtend waren. Ihr wurde gesagt, sie schreibe auf dem Niveau eines Grundschulkindes, das werde nie etwas. Sie meinte: „Ich musste einfach schreiben.“ Und sie hat weitergeschrieben. Sie hat veröffentlicht. Sie ist erfolgreich damit geworden.

Der Erfolg scheint mir hier gar nicht so bedeutsam (obwohl das natürlich großartig ist), sondern dieses innere Feuer, das einen etwas tun lässt, dieses „Ich kann gar nicht anders – und auch, wenn es niemanden interessiert, ich mache es trotzdem. Es macht mir Freude. Mit nichts anderem möchte ich so viel Zeit verbringen.“

Ich habe selbst über einen längeren Zeitraum mit dem Begriff Berufung gehadert

2010 bis 2011 habe eine Ausbildung zum Berufungscoach gemacht. Dann 2012 mit Coaching, Schwerpunkt die eigene Berufung finden und leben, selbstständig zu arbeiten begonnen. Ich habe etliche Frauen, und ein paar Männer, erfolgreich begleitet. Und mich dann irgendwann gefragt: Bleibe ich bei diesem Wort?

Heute verwende ich das Wort ganz bewusst wieder. Auch wenn es wohl schon etwas überstrapaziert ist und manche Coaches und Berater es in einem Sinn verwenden, der nicht meiner Haltung entspricht.

Berufung, was ich darunter verstehe

Berufung hat für mich mit den Fragen "Wer bin ich" und "Wie will ich mein Leben verbringen?" zu tun. Was fange ich mit der Zeit an, die mir gegeben ist? Ein starker Akzent liegt auf dem Wie.

Berufung stellt die Frage nach dem guten Leben, die aus der Philosophie kommt. Und sie hat viele weitere Faktoren: psychologisch, soziologisch, spirituell.

Huch, auch die Sache mit dem guten Leben kann groß klingen! Doch ist es nicht auch dein Bedürfnis, dein Leben nicht einfach so dahin zu leben? Ich glaube, darin liegt ein menschliches Grundbedürfnis. Tief in uns sehnen wir uns alle nach Sinnerfüllung.

Deine Bestimmung zu gestalten hat zu tun mit:

  • deinen Begabungen,

  • deinen Stärken,

  • deinen Werten und

  • deiner Vision von deinem erfüllten Leben und deiner erfüllten Arbeit.

Es hängt vor allem auch ganz stark damit zusammen, wie du auf deine Bedürfnisse achtest. Deine eigenen Bedürfnisse sind zentral.

Das betrifft dich als Mensch in all deinen Facetten. Auf die Arbeit bezogen können dir Fragen helfen wie: in welcher Umgebung fühlst du dich wohl, bist du ein Morgen- oder ein Nachtmensch – wie sind deine optimalen Arbeitszeiten, arbeitest du lieber alleine oder im Team, bist du gerne in einer Führungsrolle oder eher der Fachexperte.

Wenn du darauf achtest, wer du bist und was dir gut tut, dann kannst du damit auch deine Resilienz aufbauen.

Es ist ein Prozess, bei dem du dich selbst immer besser kennenlernst.

Und dieser Prozess ist nicht nur linear, er ist zyklisch. Ich drücke das mit Hilfe der ReConnect Kreis-Spirale aus.

Doch dich selbst zu kennen, heißt auch, um deine Schwächen zu wissen, deine Zweifel und Ängste, deine hartnäckigen Muster, die nicht mehr hilfreich sind.

Und dann zu entscheiden, was du verändern möchtest.

Berufung ist etwas Individuelles.

Weil jeder Mensch einzigartig ist. Deshalb kann dir auch niemand anderer Antworten liefern auf die Fragen: "Was macht mich aus? Wo stehe ich und wo will ich hin?". Das zu erkunden ist ein Prozess. Doch du kannst dir Hilfe an deine Seite holen, um deine Antworten zu entwickeln.

Berufung deckt sich nicht unbedingt mit einem Berufsbild, das es bereits gibt.

Es handelt sich eher um eine Qualität, die sich in vielen Formen ausdrücken kann. Jemand wie ich, der Menschen hilft, den eigenen Weg zu gehen und dabei mit sich und anderen in guter Verbindung zu sein, kann das heute als Coach tun. Vor 100 Jahren hätte es diesen Beruf noch gar nicht gegeben. Und darüber hinaus für Frauen auch viel weniger Möglichkeiten, ihrer Berufungsqualität eine Form zu geben. Und wie das in 20 Jahren aussieht? Keine Ahnung.

Klar, es gibt die Menschen, die von sich sagen, sie hätten schon als Kind gewusst, Ärztin werden zu wollen. Doch dahinter steht ebenfalls eine Qualität, und die ist nicht für alle gleich: Ist es, Kindern als Kinderärztin zu helfen? Ist es der Wunsch zur Heilung beizutragen? Ist es ein tiefes Interesse an den Zusammenhängen zwischen Körper und Geist?

Seine Berufung zu finden und zu leben, setzt voraus, mit sich selbst in guter Verbindung zu sein.

Das heißt für mich: ehrlich zu sich selbst und mit den verschiedenen Stimmen in sich in Kontakt sein, Ambivalenzen aushalten, sich den festgefrorenen Gefühlen widmen und die inneren Eiswürfen auftauen, auf seine Bedürfnisse hören und sie kommunizieren können. Und die Gefühle zulassen, denn sie weisen stets auf etwas Hilfreiches hin: Gefühle sind Ausdruck deiner Lebenskraft.

Sich in der Weise mit sich selbst zu beschäftigen, bedeutet nicht, ständig und auf immer bloß um sich selbst zu kreisen.

Für mich hat es entscheidend mit Resonanz zu tun. Du bist in Kontakt mit deiner Lebensaufgabe bei allem was du tust, wenn du dich mit den Dingen in Beziehung fühlst. Das kann in kleinen Momenten sein, und die machen ja tatsächlich den Großteil unseres Alltags aus. Da gibt es nicht ständig Wow-Momente.

Nein, du kannst berührt sein und dich berühren lassen beim Abwaschen, beim Spielen mit den Kindern, beim Malen ohne Ziel, beim Gärtnern auf dem Balkon. Und auch beim Ausfüllen der Steuererklärung (zugegeben, das ist schon für die Geübten :-).

In diesem Sinne ist Berufung eine Beziehungsqualität.

Natürlich kommt es auch darauf an, was du tust. Doch macht es einen Unterschied, ob du etwas tust, ohne dabei zu sein, hektisch und freudlos, oder ganz präsent dabei bist und dich überraschen lässt.

Selbstbezug. Lebensbezug. Weltbezug.

Mit allem, was du tust, bewirkst du etwas. So, wie du bist und wie du dich verhältst. All das ist dein Beitrag. Dein Beitrag in der Welt muss nichts Grandioses sein.

Achtsamkeit

Achtsamkeit: Was ist das?

Achtsamkeit ist eine Grundhaltung. Und es gibt mittlerweile viele Methoden und Ansätze, um sich in dieser Grundhaltung zu üben.

Auch wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Achtsamkeit positive Auswirkungen hat. Siehe: Die Wirksamkeit von Achtsamkeitstechniken im Arbeitskontext

Diese Haltung beinhaltet verschiedene Qualitäten:

  • Gegenwärtigkeit

  • Nicht-Bewerten

  • Nicht-Identifikation

  • Anfängerinnen-Geist

  • Selbstmitgefühl

Die Haltung der Achtsamkeit hat mit Bewusstheit zu tun. Und damit, liebevoll zu sich selbst zu sein.

Achtsamkeit: Ist das nicht nur ein Hype?

Zugegeben, Achtsamkeit ist ein Modewort. Manchmal höre oder lese ich, dass sei doch alles nur ein Hype. Mich hat das vor einigen Jahren sehr beschäftigt. Sodass ich fast den Begriff Achtsamkeit gar nicht mehr verwenden wollte. Doch für mich kommt es auf das Wie an: Was versteht man darunter und wie wendet man es an? Vor allem: Ist es hilfreich?

Ganz wichtig sind mir dabei meine eigenen Erfahrungen mit meiner persönlichen Achtsamkeitspraxis und meine Erfahrungen mit Coachees.

Bei der Achtsamkeit üben wir, mit dem zu sein, was gerade im Moment ist.

Üblicherweise sind wir sehr in unseren Gedanken verhaftet: denken entweder an die Vergangenheit oder die Zukunft. Und so wertvoll Reflexion und Planung ist, wenn uns diese Gedanken davon abhalten, überhaupt wahrzunehmen, was uns im Augenblick gerade begegnet, dann ist das stressig. Wir sind nie richtig bei der Sache.

Nur, wenn wir mit dem, was wir erleben, was wir tun, in Verbindung sind, erleben wir Resonanz. Wir spüren einen Zusammenhang, und damit Sinn.

Ich gehe davon aus, dass das Erleben von Resonanz, von Zusammenhang und Sinn ein grundlegendes menschliches Bedürfnis ist.

Es ist uns abhanden gekommen, sonst täten wir uns nicht so schwer damit.Das ist nicht bloß ein individuelles Problem. Es hat gesellschaftliche Ursachen.

Deshalb gibt es manchmal den Einwand, man dürfe das nicht auf den Einzelnen abschieben. Nur greift auch das meines Erachtens zu kurz. Denn letztlich erfahre ich als Einzelperson einen Leidensdruck, wenn ich permanent zerstreut bin, immer das Gefühl habe, keine Zeit zu haben, den Dingen hinterherzurennen. Ich als Person muss unmittelbar damit umgehen. Da nützen mir im Akutfall keine Diskussionen über gesellschaftliche Phänomene.

Es ist nicht schwarz oder weiß, nicht: Einzelne oder Gesellschaft. Beides greift ineinander über, ist miteinander verwoben.

Es ist auch wichtig, dass wir uns auch Gedanken machen, woher diese Phänomene der Unruhe kommen und was wir als Gesellschaft tun können, dass wir insgesamt gelassener werden. Das greift in sämtliche gesellschaftliche Strukturen.

Auch dass viele Unternehmen, Coaches und Berater auf den Zug der Achtsamkeit aufspringen, finde ich kein Argument, das prinzipiell gegen die Achtsamkeit spricht.

Es ist ein Bedarf da. Viele Menschen sehnen sich nach mehr Ruhe und nach sinnerfüllter Tätigkeit. Sie sind nicht mehr bereit, sich in ihrem Angestelltenjob so sehr zu verausgaben wie bislang. Siehe das Phänomen des „Quiet Quitting“.

Achtsamkeit: Warum ist sie bei deiner Berufung von Bedeutung?

Herauszufinden, wer du bist, was du brauchst und was du willst, setzt voraus, dass du erst einmal hinhörst. Das braucht eine Offenheit, eine Bereitschaft. Im Strudel von Aktivitäten wirst du das nicht hinkriegen.

  • Der erste Schritt ist, überhaupt einmal wahrzunehmen. Beobachten, was sich zeigt. Welche Antworten für dich kommen.

  • Bei den Antworten, die du erhältst, ist es nicht hilfreich, wenn du sie sofort bewertest. Bei Bewertungen ist meist eine Abwertung enthalten.
    Stell dir vor, du kommst drauf, dass du gerne schreibst. Du bist dann im Flow. Aber schon schlägt eine andere Stimme zu: "Aber, das ist doch Unsinn. Ich will doch nicht Journalistin werden oder Schriftstellerin. Da hätte ich gar nicht das Zeug dazu und sowieso stehen die Chancen am Arbeitsmarkt schlecht."

  • Die Haltung des Nicht-Bewertens ist ganz entscheidend, wenn du dich mit Mustern und Glaubenssätzen auseinander setzt. Erst mal wie eine wohlgesonnene, neutrale Beobachterin wahrnehmen: "Aha, ich glaube also, nicht gut genug zu sein." Weiterforschen, ohne Druck auf dich auszuüben. Interessiert daran, was du über dich lernen kannst. „Wann hat sich das schon gezeigt? Wie wirkt sich das in meinem Leben aus?“ Dann kannst du entscheiden: Will ich das beibehalten? Oder verändere ich es?

Offenheit (Anfänger-Geist), Gegenwärtigkeit (Präsenz), Nicht-Bewerten: Das sind Qualitäten von Achtsamkeit.

Wie kannst du das lernen und üben? Eine gute Methode ist Mediation. Siehe dazu mein Online-Kurs für Ruhe und Gelassenheit: “Innere Ruhe durch Meditation”

Achtsamkeit ist eine Haltung der Selbstfürsorge

Und die achtsame Gestaltung der Berufung ist ein Ausdruck von Selbstfürsorge. Selbstfürsorge bedeutet, dass du gut für dich sorgst. Du nimmst dich ernst, du nimmst dich wichtig. Dein Wohlergehen liegt dir auf dem Herzen.

Denn: Druck und Kontrolle hindern dich am Wachsen.

Du findest Selbstfürsorge egoistisch? Es klingt dir nach Selbstoptimierung?

Dann stell dir vor, wie du mit jemandem umgehst, an dem dir viel liegt. Du wirst diese Person voraussichtlich nicht bewusst schlecht behandeln: beschimpfen, ihr sagen, wie unfähig sie ist. Du wirst freundlich sein. Ehrlich: Aufrichtig sagen, was du empfindest; auch sehen und aussprechen, was dich stört. Denn du weißt, dass dann Entwicklung in eurer Beziehung möglich ist.

Warum anders mit dir selbst umgehen?

Und zudem trägst du für dich Verantwortung. Anderen Menschen kannst du ihre Verantwortung nicht abnehmen – es sei denn, es handelt sich um Kinder, hier hinkt obiges Beispiel also. Aber vielleicht kannst du damit besser nachvollziehen, was ich mit einem fürsorglichen Umgang sich selbst gegenüber meine.

Der freundliche Kontakt zu dir selbst ermöglicht auch Selbstmitgefühl.

Wenn es dir schlecht geht, dann kannst du dich dir zuwenden: "Ich weiß, dir geht es gerade schlecht." Es nicht wegdrängen, es nicht weganalysieren, es nicht ins Lächerliche ziehen. So fühlt es sich gerade für dich an, basta. Du kannst dann näher erforschen, was gerade dein Bedürfnis ist. Und wie du es erfüllen kannst.

Berufliche Neuorientierung

Für die meisten Menschen, mit denen ich arbeite und die sich nach Sinnerfüllung sehnen, hakt es zunächst bei der beruflichen Tätigkeit. Das, was sie machen, passt nicht mehr so recht.

Doch was statt dessen? Eine Neuorientierung steht an, doch wo genau es hingeht, ist nicht klar: in ein gänzlich anderes Feld wechseln, im jetzigen Bereich bleiben, aber den Arbeitgeber wechseln, noch eine Ausbildung machen, das geliebte Hobby zur Teilselbständigkeit ausbauen?

Viele Fragen, große Verunsicherung.

Ich zähle dir nun einige Aspekte auf, die sich bei mir selbst und in meiner Coaching-Praxis bewährt haben, will man sich neu ausrichten:

Eine dankbare Standortbestimmung mit bewusstem Abschiednehmen

Zunächst braucht es eine Orientierung: wo stehe ich überhaupt gerade? Eine Standortbestimmung. Was waren wichtige Stationen in meinem (Berufs-)Leben und wie zeigt sich meine Situation jetzt?

Wofür bist du dankbar?

Doch für mich geht eine Standortbestimmung tiefer. Indem du auf dein bisheriges und momentanes Leben blickst und dich fragst: „Wofür bin ich dankbar?“

Denn auch, wenn du etwas verändern möchtest, war und ist nicht alles schlecht. Wenn du mit Dankbarkeit auf deine Biografie blickst, dann stärkt das deine Zuversicht. Etwas nur als Problem zu sehen, von dem wir schnell wegwollen, kann uns ganz ordentlich runterziehen. Dankbarkeit stärkt unseren Muskel der Wertschätzung.

Sich neu auszurichten bedeutet, dass man eine Zone des Übergangs betritt.

Von etwas wegzugehen, bedeutet immer Abschied. Allerdings, gerade, wenn wir etwas als belastend empfinden, rattert in uns ein „Nichts wie weg. Rein ins Neue.“ Das ist ja auch äußerst verständlich.

Vielleicht gehörst du zu denen, die Abschiede nicht leiden können: sich auf dem Bahnhof noch einmal umarmen, der Kloß im Hals wird größer, Wasser steigt in die Augen. Denn jeder Abschied ist mit Trauer verbunden – auch wenn der Wechsel von dir gewünscht ist. Trauer ist ein Gefühl, dessen wichtige Funktion und Schönheit sich nicht auf den ersten Blick zeigt, zunächst tut sie einfach weh.

Wenn du dich nicht bewusst verabschiedest, kann dir das jahrelang nachhängen. Mir ist das bei einem Jobwechsel passiert. Mit meinem Vorgesetzten war noch etwas offen, ein Konflikt lag in der Luft.

Heute denke ich, damals wäre es nicht möglich gewesen, es miteinander gut auszutragen; doch hätte ich für mich selbst etwas gestalten können: ein Abschiedsritual, das einen bewussten Schnitt bedeutet hätte, auch die Anerkennung all dessen, was ich dort lernen und erfahren durfte, eine Anerkennung der vielen wertvollen Beziehungen. Ich habe das später für mich nachgeholt, nachdem mich Träume über Jahre darauf hingewiesen hatten.

Jedes Projekt, das zu Ende geht, jeder Lebensabschnitt, jede Beziehung braucht einen bewussten, wertschätzenden Abschied.

Nicht mehr hilfreichen Glaubenssätzen auf die Spur kommen und sie bei Bedarf verändern

Mit Glaubenssatz meine ich nichts Religiöses, sondern Annahmen und Vorstellungen, die wir von uns selbst, von anderen und von der Welt haben. Sie sind nicht grundsätzlich negativ, oft wird ja von negativen Glaubenssätzen gesprochen. Wir können gar nicht anders, als uns aus der Vielfalt der Eindrücke unsere Raster zu basteln, in dir wir unsere Wahrnehmungen einordnen.

Doch manche Glaubenssätze sind nicht mehr hilfreich.

Einer könnte sein: "Mit 40 findet man sowieso keinen neuen Job mehr." So eine Annahme kann dich davon abhalten, es überhaupt erst einmal zu versuchen. Sie hält dich zurück. Sie hält dich im Gewohnten, Bewährten, auch wenn das für dich nicht mehr stimmig ist.

Wenn du solchen hinderlichen Glaubenssätzen auf die Spur gekommen bist, kannst du dich entscheiden, sie zu wandeln. Dafür gibt es Methoden: häufig wird damit gearbeitet, den negativen Glaubenssatz durch einen positiven auszutauschen, zum Beispiel durch Affirmationen. Statt "Ich bin nicht gut genug" könntest du dir täglich etliche Male vorsagen: "Ich bin gut genug, so wie ich bin".

Doch meiner Erfahrung nach reicht das nicht tief genug. Für den Anfang ist es ein guter Schritt. Doch er alleine ist nicht nachhaltig. Die alte Vorstellung schleicht sich wieder ein. Ich arbeite bei Glaubenssätzen daher mit meinen Kundinnen immer auch mit dem Felt Sense, das heißt mit dem inneren Wissen, der gespürten Bedeutung. Dadurch wird es möglich, einen Glaubenssatz aufzulösen.

Deine Bedürfnisse kennenlernen

Deine Stärken erkunden

Kennst du deine Stärken? Sprichst du gerne über sie? Oder ist dir das eher peinlich? Gerade bei Frauen erlebe ich das häufig, dass sie über das, was sie gut können, nicht gerne reden. Oder gar nicht wissen, was das denn sein sollte. Das berühmte Licht-unter-den-Scheffel-stellen eben.

Wir sind häufig so darauf fixiert auf das, was wir nicht können, dass wir unsere Stärken vor lauter vermeintlichen Schwächen gar nicht in den Blick nehmen.

Was meine ich denn mit Stärken? Ich verwende den Begriff sehr umfassend.

  • Fähigkeiten, die du dir im Laufe deines Lebens angeeignet hast, darin fällt alles, was du in deiner Berufslaufbahn gelernt hast, aber auch sonst im Leben (wie zum Beispiel Hobbys),

  • Charaktereigenschaften: das, was dich als Person ausmacht, wofür dich andere Menschen schätzen,

  • Talente: das, was dir leicht von der Hand geht, wozu du eine Neigung hast: manche haben etwa ein handwerkliches Geschick (etwas, das ich sehr bewundere, ich habe das definitiv nicht) – doch muss das nicht unbedingt angeboren sein, wir werden in unserer Kindheit und Jugend einfach unterschiedlich gefördert.

Deine Werte entdecken – was ist dir wirklich wichtig, wofür stehst du ein?

Die Vision deines erfüllten (Arbeits-)Lebens entwickeln – und konkrete Ziele daraus ableiten

Danach: Die Schritte gehen und offen dafür sein, was dir das Leben bringt.

All diese Aspekte sind bei der achtsamen Berufung verbunden mit einer achtsamen Beziehung zu sich selbst. Es geht darum, dich wieder mit dir selbst zu verbinden. Und dann aus dieser Verbindung heraus zu handeln. Nicht aus einem bloßen Veränderungs-Aktivismus heraus, bei dem du oberflächliche Schritte setzt, die auf Dauer nicht wirklich nachhaltig etwas verändern: dann trittst du nämlich auf der Stelle.

Achtsame Beziehung zu dir selbst

  • Selbstfürsorge

  • Dich nicht länger unter Druck setzen – Gelassenheit entwickeln

  • Selbstmitgefühl

  • Entschleunigung: Ruhe und Innehalten im Alltag verankern

  • Gefühlskompetenz

  • Dich gesund abgrenzen: Deine Grenzen erkennen und sie bei Bedarf sanft erweitern

  • Kopf, Herz und Bauch vereint – mit deinem Felt Sense in Verbindung sein

Eine Methode, um in die Stille zu gehen, ist Meditation. Eine Methode, um ein Thema oder Problem innerlich zu erkunden, nenne ich innere Erkundung: dabei ist der Felt Sense von Bedeutung.

Kreatives Schreiben

Wie werde ich kreativ? – Du bist es schon!

Ich bin der Ansicht, dass jeder Mensch kreativ ist. Das ist in uns angelegt. Die Frage ist, ob wir unsere kreativen Fähigkeiten ausleben oder ob wir sie zurückhalten. Letzteres hat viel mit erlernten Mustern und Glaubenssätzen zu tun: "Wer bin ich denn, dass ich kreativ sein soll? Ich bin doch kein Künstler".

Kreativität ist Selbstausdruck. Wenn wir sie zulassen, dann gestalten wir etwas. Deinen eigenen Weg zu gehen, ist ein gestalterischer Prozess. Du orientierst dich dann nicht unbewusst an vorgegebenen Meinungen, Annahmen und Erfahrungen. Du hörst in dich hinein, nimmst wahr, was aus dir heraus in die Welt will. Eine Möglichkeit, das zu tun, ist das Schreiben.

Kreatives Schreiben, um dich selbst zu finden

Du kannst mit Schreiben etwas über dein vergangenes Leben erfahren, du kannst Orientierung für dein gegenwärtiges Leben erhalten und du kannst dich in deine erwünschte Zukunft versetzen.

All das geht auch, ohne etwas aufzuschreiben. Im Gespräch zum Beispiel: mit jemand anderem oder als innere Erkundung, die du für dich machst. Doch mit Schreiben kommt noch eine zusätzliche Komponente dazu, die sehr hilfreich sein kann.

In diesem Zusammenhang gehe ich nicht auf handwerkliches Schreiben ein: das wäre etwa "Wie schreibe ich einen Roman?" Auch das gehört zum Kreativen Schreiben. Doch für die achtsame Gestaltung der Berufung ist vor allem das Schreiben hilfreich, wo es gar nicht um ein bestimmtes Resultat geht. Gewisse Stilregeln einzuhalten oder einen Text zu veröffentlichen, steht nicht im Vordergrund.

Warum sonst schreiben? Um eine Verbindung, einen einfühlsamen Zugang zu dir selbst zu finden.

Um mit deinem Felt Sense, der gefühlten und gespürten Bedeutung einer Situation oder eines Problems, in Beziehung zu treten.

Siehe dazu mein Blogartikel "Was ist ein Felt Sense eigentlich?"

Wie gelingt das? Wenn du dich nicht unter Druck setzt, dass das, was du schreibst, gut sein muss. Korrekte Rechtschreibung und Grammatik? – Die dürfen auch mal Pause machen.

Kreatives Schreiben für die Selbstfürsorge

Beim Kreativen Schreiben für die Selbstfürsorge geht es um eben das: Selbstfürsorge. Dich um dich selbst kümmern, etwas über dich entdecken und dir für dich sinnvolle Ziele zu setzen – in einer achtsamen Haltung. Kein richtig oder falsch, keine strenge Lehrerin, die mit roter Tinte ausbessert. Es darf leicht, ungezwungen, spielerisch sein.

Siehe dazu mein Blogartikel: "Selbstfürsorge: 3 wirkungsvolle Übungen, wie dir kreatives Schreiben dabei hilft".

[1] Wilhelm Schmid: Mit sich selbst befreundet sein. Suhrkamp 2004 (Bibliothek der Lebenskunst), S. 160


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Was ist Arbeit? Ein Gespräch mit Wilhelm Schmid - #026 (Podcast)

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Selbstfürsorge: 3 wirkungsvolle Übungen, wie dir kreatives Schreiben dabei hilft