Was ist Arbeit? Ein Gespräch mit Wilhelm Schmid - #026 (Podcast)

Was ist Arbeit? Darüber habe ich ein Interview mit dem Philosophen Wilhelm Schmid geführt. In dieser Podcast-Folge erfährst du, warum Arbeit mehr als Erwerbsarbeit ist und warum ein erweiterter Begriff von Arbeit, der auch die Sorgearbeit (Care-Arbeit) einschließt und die Arbeit an sich selbst, zu mehr Zufriedenheit im Leben führt.


Diese Podcast-Folge wurde im Februar 2023 veröffentlicht.

Wilhelm Schmid

Prof. Dr. Wilhelm Schmid ist Philosoph und Autor zahlreicher Bücher. Die Bücher, die ich Anfang der 2000-er-Jahre von ihm entdeckt habe, haben mich nachhaltig beeindruckt: „Philosophie der Lebenskunst“ und „Mit sich selbst befreundet sein“.


Wilhelm Schmids Definition von Arbeit

Im Buch „Mit sich selbst befreundet sein“ fand ich das Thema Arbeit. Wilhelm Schmid hat eine weitreichende Definition:


„Arbeit ist all das, was ich in Bezug auf mich und mein Leben leiste, um ein schönes und bejahenswertes Leben führen zu können.“


Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit

Bei meiner beruflichen Tätigkeit geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, für sie sinnvolle Arbeit zu gestalten und insgesamt ein zufriedenes Leben zu führen.

Dabei fällt mir auf, dass die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe, unter Arbeit ausschließlich Erwerbsarbeit verstehen. Die Tätigkeit, mit denen sie Geld verdienen, also ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Und da ist dann häufig auch der Schmerzpunkt: Wie kann ich das tun, was mir Freude macht, was mir wirklich wichtig ist, wo ich mich als Person einbringen kann und auch etwas beitragen - UND damit auch Geld verdienen? Denn Geld ist ja nach wie vor sehr wichtig in unserer Gesellschaft.

Darüber habe ich mit Wilhelm Schmid gesprochen.


Hier einige Punkte, die im Podcast zur Sprache kommen:


  • Wie kann ich Erwerbsarbeit heute überhaupt gut leisten?

  • Wir brauchen andere Formen der Arbeit, die für den Ausgleich sorgen können. Wilhelm Schmid nennt das Sorgearbeit, heute spricht man meist von Care-Arbeit. Sorge für mich, Sorge für andere, Sorge für die Familie, Sorge für Erholung, Sorge für Freundschaften.

  • Arbeit für die Gemeinschaft, Bürgerarbeit, finde ich sehr wichtig.

  • Für die Sorgearbeit ist Zeit notwendig.

  • Wilhelm Schmid spricht über die „Goldenen Stunden“, wo Zeit für sich selber und Regeneration sinnvoll ist: da geht etwas flott von der Hand, ohne jede Mühe. Es ist sinnvoll, in diese Zeiten die schwierigsten Arbeiten hineinzulegen.

  • Wie ist das, wenn man angestellt ist? Viele haben das Gefühl, wenig Spielraum zu haben über ihre Zeitgestaltung.

  • Wilhelm Schmid betont: Wir brauchen Energie, wir brauchen Kraft, wo sind die Kraftquellen? Bei Burnout ist etwas verbrannt. Das geschieht, wenn ich die Energie nicht ständig regeneriere. Mich fragen: Was gibt mir Energie, was ist schön für mich? Zum Beispiel im Frühling: Duft von Hyazinthen, Gespräche mit vertrauten Menschen. Ich muss mich darum kümmern. Das ist wichtige Care-Arbeit: zur rechten Zeit an diese Menschen denken.


Führt so ein weiter Begriff von Arbeit nicht zur totalen Vereinnahmung?

Was ist mit dem Einwand: "Alles mit Arbeit zu bezeichnen, ist eine Vereinnahmung. Alles andere soll auch noch Arbeit sein! Beziehungsarbeit etc." Den höre oder lese ich zuweilen.

Wilhelm Schmid:

„Wir können es auch XY nennen. Die Aufmerksamkeit ist nur da, wenn man es Arbeit nennt. Arbeit am Sinn. Das ist Arbeit, die wir machen müssen. Ohne Sinn brächen wir zusammen. Arbeit am Sinn ist, ein gutes Essen zu genießen. Hast du dabei schon die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt? Nein, weil das gibt so viel Sinn, ein gutes Essen zu genießen. Wir müssen nicht gleich ins Metaphysische gehen.“


„Wenn Menschen sich am Begriff der Arbeit stören, kann ich daraus nur schließen, dass sie schlechte Erfahrungen mit Arbeit haben.“


Wilhelm Schmid: Eine Alternative zu "Arbeit" gibt es: „Work“ oder „Workation“. "Klingt elegant und leichtfüßig".


Was können Menschen tun, die sich von ihrer Erwerbsarbeit ausgelaugt fühlen?

Wilhelm Schmid gibt am Schluss noch etwas mit für Menschen, die mit ihrer Erwerbsarbeit nicht zufrieden sind, und aus welchen Gründen auch immer, derzeit nicht selbstbestimmter arbeiten können: Was tun, damit Arbeit nicht so auslaugt?


Jeden Tag eine Kleinigkeit machen

Wilhelm Schmid:

"Steter Tropfen höhlt den Stein. Stattdessen: Stetes Sandkorn häuft den Berg. Wenn ich jeden Tage ein Sandkorn nehme und fallen lasse: Nach 1 Woche 7 Sandkörner, nach 1 Jahr: 365 Sandkörner auf einem Haufen. Dabei habe ich jeden Tag nur eine Kleinigkeit gemacht."


„Die Kleinigkeit ist es, die wir jeden Tag anders machen, Neues machen. Das ist heute keine beliebte Kulturtechnik mehr. In der Antike nennt man das Askese.“


Geduld haben

„Dann die Geduld zu haben oder Nachhaltigkeit zu haben, dann gelingen sogar die größten Veränderungen.“


Wir brauchen eine Kunst der Arbeit

Wilhelm Schmid sagt:

„Lebenskunst heißt Ars vitae. Was wir brauchen ist eine Ars laborandi, eine Kunst der Arbeit.“


Links:

Podcast-Episode (Audio - mp3)

Podcast-Episode auf ITunes (Audio)

Podcast auf Spotify (Audio)

Podcast-Episode auf Stitcher (Audio)


Webseite Wilhelm Schmid


Buch von Wilhelm Schmid: "Mit sich selbst befreundet sein. Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst"


Zurück
Zurück

Resilienz aufbauen: Geschmeidig mit Belastungen umgehen und daran wachsen

Weiter
Weiter

Wie du deine Berufung achtsam gestaltest