Zufriedenheit – die stille Schwester des Glücks

Zufriedenheit trägt wesentlich dazu bei, deine Berufung zu leben. Dabei sind Glück und Zufriedenheit verwandt, aber nicht gleich: Zufriedenheit ist wie die unauffällig gekleidete, ruhige und weise Schwester des strahlenden, extrovertierten Glücks, die sich bescheiden im Hintergrund hält und doch wesentlich zum Wohlbefinden beiträgt.

Korina Dielschneider von Mid-Life Coaching lädt zur Blogparade "Hauptsache zufrieden!?" ein – und ich nehme die Einladung gerne an.

Wer will schon nicht zufrieden sein? Mit dem Leben, mit der Arbeit? Ich möchte das jedenfalls – und die Frauen, mit denen ich arbeite, auch. Und doch lässt sich die Frage, was Zufriedenheit denn eigentlich ist und wie sie sich auf uns selbst und unsere Mitwelt auswirkt, gar nicht so leicht beantworten.

Ich möchte mit einer Unterscheidung beginnen: Glück und Zufriedenheit. Die beiden Begriffe klingen ähnlich, werden häufig auch bedeutungsgleich verwendet, die Psychologie grenzt sie jedoch voneinander ab.


Der Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit

Philipp Mayring hat als Professor der Psychologie an der Universität Klagenfurt zwischen Glück und Zufriedenheit unterschieden. Beide sind Zustände des Wohlbefindens, sie sind miteinander verwandt, wobei die Zufriedenheit dauerhafter ist.

  • Zufriedenheit: grundlegend sind eine positive Grundstimmung und Lebensbejahung. Zufrieden zu sein ist demnach das Ergebnis einer Haltung dem Leben und sich selbst gegenüber.

  • Glück ist intensiver, hält aber nicht so lange an.

Ein Bild, das sich mir zeigt, ist: Die Zufriedenheit als unauffällig gekleidete weise Person, die sich dezent im Hintergrund hält, während das Glück bunt gekleidet und strahlend auf die Bühne springt und andere mit dieser Strahlkraft ansteckt. Die Zufriedenheit übt durchaus eine Wirkung aus, doch die ist subtiler.

Im Online-Artikel von “Psychologie Heute”, der diese Forschungsarbeit erwähnt, wird Zufriedenheit als "leises Glück" bezeichnet.

Das Entscheidende scheint mir dabei zu sein: Zufriedenheit hat etwas mit unserer inneren Haltung zu tun. Das heißt auch, dass wir etwas dazu tun können, Zufriedenheit zu finden.


Bedeutet zufrieden zu sein, mich nicht mehr vom Sofa zu bewegen?

Ich begegne in Gesprächen manchmal einer Abneigung gegenüber der Zufriedenheit. Man würde sich dann auf dem Erreichten ausruhen, faul und träge werden. Auf dem Sofa herumlümmeln sozusagen und sich gar nicht mehr wegbewegen.

Auch in einem Blogartikel über Arbeitszufriedenheit habe ich vor ein paar Jahren gelesen, dass es für Leistung hinderlich sei, zufrieden zu sein. Arbeitnehmer sollten nicht allzu fröhlich sein. Hmmh! Das hat mich nachdenklich gemacht – und ich habe einen Blogartikel dazu geschrieben: "Arbeitszufriedenheit und Leistung".

Diese Angst vor dem Wohlbehagen gilt es ernst zu nehmen. Sich individuell anzuschauen, was dahinter steckt, kann erhellend sein. Es kommt vor, dass Glaubenssätze dahinter stecken wie etwa "Du musst immer etwas leisten". Oder man hat in der Kindheit Sätze gehört wie "Ruhe dich nur nicht zu sehr auf deinen Lorbeeren aus".

Ich habe das auch lange so gesehen. Bis ich andere Zugänge gefunden habe. Dankbarkeit war für mich dabei wesentlich.

Dankbarkeit spielt eine wichtige Rolle

In meinen jüngeren Jahren war ich sehr darauf fixiert, was nicht gut lief für mich. Meine Gedanken kreisten permanent um das, was ich nicht hatte, was schief gelaufen ist, wer mich (vermeintlich) nicht mochte etc. Mich haben Selbstzweifel geplagt.

Bis ich Methoden der Achtsamkeit kennengelernt habe. Vor allem der Fokus auf positive Erlebnisse hat mir sehr geholfen (ich nenne das gerne "die inneren Ressourcen wachsen lassen"). Es hilft, die Negativitätstendenz von uns Menschen auszubalancieren, wir bauen Resilienz auf.

Eng damit verknüpft ist Dankbarkeit. Um dankbar für etwas zu sein, muss ich es zunächst einmal wahrnehmen. Ein Bewusstsein dafür entwickeln, empfänglich dafür werden, Gewahrsein üben.

Wie lässt sich Dankbarkeit leben?

Hier zwei Dankbarkeitsübungen:

  • Dich an etwas erinnern, was du als schön erlebt hast (wo du dich glücklich gefühlt hast, frei, ganz bei dir), und dir das vergegenwärtigen, als würde es gerade jetzt wieder passieren, mit allen Sinnen darin baden.

  • Ein Dankbarkeitstagebuch führen: jeden Tag aufschreiben, wofür du dankbar bist.

Wertschätzung und Dankbarkeit haben eindeutig dazu beigetragen – und tun es weiterhin –, dass ich mich zufriedener fühle als früher.


3 Sphären für das “stille Glück”

Ich möchte im Folgenden auf drei Sphären eingehen, in denen du Zufriedenheit erreichen kannst:

  1. Zufriedenheit im Beruf

  2. Zufriedenheit im Leben

  3. Zufriedenheit mit sich selbst

Beruf

Jährlich gibt es Berichte zur Arbeitnehmer:innen-Zufriedenheit in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Genannt werden darin auch meist die Faktoren, die entscheidend sind für Zufriedenheit im Job.

Eine Befragung aus der Schweiz aus 2023 führt zur Zufriedenheit im Beruf im Schlussbericht unter anderem an:

  • sich "häufiger erfüllt, glücklich, ausgeruht, ruhig, geliebt, aber auch euphorisch fühlen",

  • den Personen, mit denen man arbeitet, nahestehen,

  • am Arbeitsplatz nicht diskriminiert werden,

  • genügend Geld für ein sorgenfreies Leben im Alter ansparen können

Leben

Die Arbeit gehört zum Leben. Klar. Und doch macht es Sinn, sich die Zufriedenheit nochmals gesondert in Hinblick auf das gesamte Leben anzuschauen.

Es ist nämlich schwierig, Zufriedenheit am Arbeitsplatz anzustreben, dafür vielleicht ein Karrierecoaching in Anspruch zu nehmen, aber sich selbst in allen anderen Lebensbereichen auszuklammern.

Die Unzufriedenheit in einem Lebensbereich hat immer Auswirkungen auf die anderen. Ich arbeite daher im Berufungscoaching sehr grundlegend: Es geht um die Person als Ganzes.

Wenn ich nicht erkunde, wer ich bin, was mir wichtig ist, was ich gerne tue und worin ich wirklich gut bin – auch ganz unabhängig vom Arbeitsleben –, dann werde ich ich zu Lösungen im Beruf kommen, die kurzfristig zufriedener machen, aber langfristig wieder an den Punkt der Unzufriedenheit führen.

Selbst

Bist du ein ausgesprochener Abendmensch? Dann wirst du dir schwer damit tun, täglich morgens um sieben Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Oder bist du ein Morgenmensch? Dann werden dir nächtliche Projekt-Marathons die Energie rauben. Die Rahmenbedingungen spielen eine Rolle dabei, wie ausgeglichen und erfüllt wir uns fühlen.

Häufig begegne ich auch dem Fall, dass jemand in einer Firma oder Institution arbeitet, wo die Werte diametral den eigenen gegenüberstehen: wie mit den Mitarbeitern umgegangen wird, welche Produkte und Dienstleistungen erzeugt werden, welche Vision das Unternehmen hat (oder nicht hat).

Doch die äußeren Umstände sind niemals der einzige oder ausschlaggebende Faktor für Zufriedenheit. Ich kann in für mich optimalen Bedingungen arbeiten – und doch nagt etwas in mir. Wenn ich nämlich nicht zufrieden mit mir selbst bin.

Hier spielt alles rein, was wir uns mithilfe unseres inneren Kritikers so gerne an den Kopf werfen:

"Du bist nicht gut genug."

"Du hast noch nicht so viel erreicht wie XY, du bist eine Versagerin."

"Bald wird auffliegen, dass du nichts kannst."

"Du hast XY gemacht, daher bist du ein schlechter Mensch."

Zufriedenheit mit sich selbst bedeutet, sich zu sehen und anzunehmen, wie man gerade ist. Hier sind Achtsamkeit, Selbstwertschätzung und Selbstvertrauen von großer Bedeutung.

Was bedeutet Zufriedenheit für mich?

Für mich ist Zufriedenheit nicht negativ besetzt. Im Gegenteil! Wenn ich zufrieden bin mit dem, was ich derzeit habe, dann erwachsen daraus Gelassenheit und Demut.

Ich bin dankbar für das, was ich bisher erreicht habe und was mir das Leben geschenkt hat: In einem sicheren Land aufgewachsen sein und in einem solchen leben, in einer leistbaren Wohnung in Zürich wohnen (wirklich ein Geschenk, weil das wird immer seltener), mit meinem Partner gemeinsam wachsen dürfen, in ein Netzwerk an Menschen in Familie, Freundeskreis und Beruf eingebunden sein, die Arbeit zu tun, die mich erfüllt und bei der ich mich stetig weiterentwickeln kann.

All das heißt nicht, dass das Selbstläufer sind, auf denen ich mich ausruhe.

Ich tue etwas dafür. Beziehung setzt beispielsweise voraus, dass ich mich aktiv darum bemühe, mit Menschen in Kontakt trete, Treffen vereinbare, die Treffen auch einhalte, mich einlasse auf die Menschen, interessiert bin an dem, wer sie sind und was sie zu erzählen haben und auch selbst von mir teile.

Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit und meinem Leben UND ich entwickle mich weiter.

Das ist für mich überhaupt kein Widerspruch mehr. Im Gegenteil, zufrieden zu sein ist die Voraussetzung dafür, mich weiterzuentwickeln, ohne mich unter Leistungsdruck zu setzen, ohne mich mit anderen zu vergleichen und damit zu lähmen, ohne den gegenwärtigen Moment zu verpassen, weil ich gedanklich ständig nur in der Zukunft bin.


Vielleicht ist Zufriedenheit so etwas wie der weibliche Pol, der YIN-Pol, der die innere Ruhe als Basis hervorbringt, aus der heraus sich eine positive YANG-Kraft entfaltet, die dann in der Welt etwas erschafft.
— Regina Schlager

Ein Schlüssel: Innere Zufriedenheit

Diese YIN-Kraft, die innere Zufriedenheit, ist für mich ein elementarer Schlüssel für ein Gefühl der Harmonie und des Wohlbefindens.

Im Wort Zufriedenheit ist Friede enthalten; das entspricht auch der Wortherkunft. Zuerst gab es das Wort Friede (seit dem achten Jahrhundert im Althochdeutschen), erst seit dem 17. Jahrhundert sind die Wörter Zufriedenheit und Unzufriedenheit im Gebrauch.

Eine Person, die innere Zufriedenheit erlangt hat, ruht in sich. Sie akzeptiert, was ist. Es treibt sie nicht suchtartig zu mehr. Sie ist nicht abhängig von Bewertungen anderer. Sie hört auf sich selbst und ihre innere Stimme. Von da her setzt sie ihre Handlungen.


Zufriedenheit lernen - geht das? Hier einige Tipps.

Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, denen es einfach so gegeben ist, zufrieden zu sein, und andere, die das nicht finden können. Wenn Zufriedenheit eine Haltung ist, dann können wir uns dafür entscheiden und in diese Haltung hineinwachsen. Insofern lässt sich Zufriedenheit lernen.


Dich mit dir selbst auseinander setzen. Was sind deine Bedürfnisse? Was brauchst du, damit es dir wirklich gut geht?

Dir deiner Stärken bewusst werden – und auch deine "Schwächen" annehmen (du kannst dich dann bewusst dafür entscheiden, an deinen Schwächen zu arbeiten, ohne dich dafür als unfähig, inkompetent oder sonst was zu beschimpfen)

Deine Werte erkunden, das, was dir wirklich wichtig ist und wofür du einstehst

Deine Gefühle zulassen, auch die sogenannten negativen (Wut, Angst, Trauer)

Das ganze Spektrum deines inneren Erlebens (Gefühle, Körperempfindungen, innere Bilder, Erinnerungen, Gedanken) als Reichtum erkennen, der ein Schatz ist, um mit Problemen und Situationen umzugehen: dafür Zugang zu deinem Felt Sense und Felt Sensing finden

Grenzen setzen: nicht zulassen, Spielball anderer zu sein, gut für dich sorgen, Nein-sagen lernen

Freude und Leichtigkeit kultivieren

Ruhe und Gelassenheit pflegen: in dich hineinhören, loslassen, auf deine innere Stimme hören

Deine Glaubenssätze und inneren Antreiber aufspüren zu den Themen Entwicklung und Leistung, hinderliche Glaubenssätze auflösen


All das sind Punkte, die auch dabei eine wesentliche Rolle spielen, deine Berufung achtsam zu gestalten. Somit ist Zufriedenheit auch für deine Berufung ein entscheidender Faktor.


Eine Übung dazu – achtsames Schreiben

Schreiben ist eine wirksame Methode, um mit sich selbst in Kontakt zu kommen und innere Zufriedenheit zu pflegen.

Ich möchte dir hier eine Übung vorstellen, sodass es nicht einfach nur beim Lesen von viel Information bleibt: Es handelt sich um eine spezifische Methode des kreativen Schreibens, nämlich das achtsame Schreiben.

Es geht dabei um das bewusste Wahrnehmen des gegenwärtigen Augenblicks: das, was in dir innen vorgeht, und das, was du im Außen wahrnimmst, ohne dich zu sehr ins Außen reißen zu lassen.

  • Es geht nicht darum, einen tollen Text zu schreiben. Vergiss Grammatik und Rechtschreibung.

  • Lade vor allem deine Sinne ein, dir zu zeigen, was jetzt gerade für dich präsent ist. Nimm wahr, was du hörst, was du riechst, was du siehst, was du schmeckst, was du berührst; und auch, welche Gefühlsqualitäten damit verbunden sind, vielleicht tauchen auch Erinnerungen auf, innere Bilder.

  • Auch Gedanken dürfen sein, aber verfalle nicht in sorgenvolles Grübeln oder das Verfassen von To-Do-Listen, wenn solche Gedankenspiralen aufkommen, nimm sie wahr, sag “Hallo” und lass sie wieder ziehen.

Stelle dir einen Zeitmesser auf 10 Minuten, halte den Stift auf dem Papier, setze ihn nicht ab. Wenn dir nichts mehr einfällt, kritzle etwas oder wiederhole das letzte Wort.

Audio: Achtsames Schreiben für mehr Zufriedenheit

Ich habe dir ein Audio gesprochen, damit du leichter in die Schreib- und Wahrnehmungsübung hineinfindest. HIER kommst du zum kostenlosen Download.

Audio-Download-Achtsames-Schreiben-fuer-mehr-Zufriedenheit

Mehr Zufriedenheit durch achtsames Schreiben – eine Übung (Audio)

Fazit

Zufriedenheit bedeutet nicht Selbstgenügsamkeit, sie schafft im Gegenteil die Basis, um sich Ziele zu setzen und in das Eigene in der Welt umzusetzen.

“Die stille Schwester des Glücks” ist eine Entscheidung, es lässt sich einiges dazu tun, um diese Haltung zu entwickeln.

Dabei kann Dankbarkeit helfen und kreatives Schreiben, insbesondere das achtsame Schreiben.


Wie geht es dir mit der Zufriedenheit? Teile gerne deine Erfahrungen in den Kommentaren.


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