Der Angst schreibend begegnen (Rezension)
In "Der Angst schreibend begegnen. Ein geführtes Journal" stellen John P. Forsyth und Georg H. Eifert Fähigkeiten und Strategien vor, Angst nicht länger zu bekämpfen, sondern konstruktiv damit umgehen zu lernen. Warum? Um so zu leben, wie es einem wirklich wichtig ist. Mit innerem Frieden, in Einklang mit den eigenen Werten.
Warum rezensiere ich dieses Buch?
In meiner Arbeit als systemischer Coach, Berufungscoach und Schreibpädagogin geht es nicht um Therapie von Angststörungen, Panikattacken oder Phobien.
Doch Ängste gehören zum menschlichen Leben dazu. Und gerade, wenn man seine Berufung finden möchte, bei Veränderungsprozessen und in der beruflichen Neuorientierung sind immer auch Ängste im Spiel: Existenzängste, Versagensängste, Angst vor der Zukunft, Angst vor Fehlern, Angst vor Enttäuschung, Angst zu scheitern, Angst vor Kontrollverlust.
Das ist Teil des Prozesses. Für die einen mehr, für die anderen weniger.
Zudem werden die Anforderungen im Berufsleben immer höher, es verändert sich viel in kurzer Zeit, viele Menschen fühlen sich gestresst. Das kann zu Überforderung führen. Auch das ruft Ängste hervor: Bin ich dem allen noch gewachsen, wo führt das noch hin?
Die Menschen, mit denen ich arbeite, sehnen sich nach innerem Frieden. Sie wollen das tun, was ihnen wirklich wichtig ist. Ständiges sich Sorgen und Grübeln steht dem im Weg. Das Buch, das ich hier vorstelle, kann in diesem Fall ein hilfreicher Begleiter sein.
Die Autoren Dr. John P. Forsyth und Dr. Georg H. Eifert
John P. Forsyth ist Professor für Psychologie und Leiter des Forschungsprogramms für Angststörungen am Fachbereich Psychologie der New York State University in Albany.
Georg H. Eifert ist emeritierter Professor für Psychologie und ehemaliger Prodekan der School of Health and Life Sciences an der Chapman University in Orange (Kalifornien).
Wesentliche Haltungen und Aspekte in diesem Buch
Die Angst nicht länger als Problem betrachten
Die Autoren betrachten Angst nicht als Problem. Sie regen vielmehr dazu an, sich mit der inneren Einstellung zu befassen. Es geht nicht darum, die Angst zu bekämpfen oder loszuwerden, sondern auf neue Weise mit ihr umzugehen. Damit wir uns nicht von den Dingen abhalten lassen, die uns am Herzen liegen.
Der Angst mit Schreiben auf die Spur kommen
Mir gefiel sofort, dass die Autoren die Übungen als Journal, also mit Schreibübungen, gestalten.
Ich sehe zudem Gemeinsamkeiten mit meinem eigenen Zugang, seinen Gefühlen und dem inneren Erleben zu begegnen. Und dass es darum geht, ein erfülltes Leben zu führen.
Mythen der Angst
Forsyth und Eifert beschreiben gängige Auffassungen rund um das Thema Angst, die sie als "Mythen der Angst" bezeichnen, wie z.B.: Angst ist ein Zeichen von Schwäche. Sie regen dazu an, schreibend die eigenen Vorstellungen bzw. Glaubenssätze zu erkunden und neue Sichtweisen einzunehmen, die hilfreicher sind.
Aufbau des Buches
Das Buch gliedert sich in 3 Teile:
Wahrnehmen
Zulassen
Tun
In jedem Teil finden sich mehrere Kapitel. In den Kapiteln wechseln sich Hintergrundinfos zum Thema Angst mit Übungen ab.
In kleinen Kästen werden die wesentlichen Erklärungen zusammengefasst: Dort werden die Leser:innen mit Du angesprochen, sonst im Buch mit Sie – was einerseits mehr Nähe erzeugt, für mich andererseits aber auch uneinheitlich und irritierend wirkt, ich fände es besser, sich auf eine Anrede zu beschränken.
Für die Übungen ist Platz, um direkt ins Buch hineinzuschreiben.
Teil 1: Wahrnehmen
Die Autoren haben einen achtsamen Ansatz: Zuerst gilt es, in Kontakt mit sich selbst zu sein, die Angst wahrzunehmen als das, was sie ist, das heißt, auch zu akzeptieren, was ist, um sodann das "Beobachter-Ich" zu schulen, das der Angst interessiert-freundlich gegenübertritt.
Mich erinnert das stark an die Methode Focusing, die ich besonders schätze: Angst kann dabei ein Teil eines Felt Sense sein.
Teil 2: Zulassen
Beim Zulassen geht es darum, endlich das Kämpfen aufzugeben und anzuerkennen, dass es menschlich ist, Gefühle zu haben. Die Schreibübungen geben Impulse, Gefühle zuzulassen und Selbstmitgefühl zu üben.
Teil 3: Tun
Schließlich geben die Autoren Anregungen, sich mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen und der Frage, was einem eigentlich wirklich wichtig ist. Dabei spielt auch eine Rolle, mit alten Verletzungen umzugehen und Frieden mit der Vergangenheit zu schließen.
So können wir unser Leben – und ich würde hinzufügen, unsere Berufung – achtsam gestalten, ohne uns von der Angst davon abhalten zu lassen.
Fazit
Das Buch "Der Angst schreibend begegnen. Ein geführtes Journal" gibt wertvolle Hinweise, sich mit dem eigenen Verhältnis zur Angst auseinanderzusetzen.
Ich mag den Ansatz des achtsamen Zulassens der Autoren John P. Forsyth und Georg H. Eifert, der wegführt von Bewertung, Kontrolle und Druck auf sich selbst. Damit werden die Leser:innen zu Selbstfürsorge angeregt und können Resilienz aufbauen.
Die Übungen sind gut angeleitet und können, auch wenn Zeitempfehlungen gegeben werden, im eigenen Tempo gemacht werden. Damit entwickelt sich ein persönliches Journal, das den Erkundungs- und Lernprozess begleitet und dokumentiert.
"Es entsteht ein Raum , in dem Sie herausfinden – oder vielleicht wiederentdecken – können, worum es für Sie in diesem Leben gehen soll und welche Richtung Sie einschlagen wollen" (S. 11).
So einen Raum braucht es, wenn wir sinnerfüllt leben und arbeiten möchten!
Angaben zum Buch
Titel: Der Angst schreibend begegnen. Ein geführtes Journal
Autoren: John P. Forsyth und Georg H. Eifert
Verlag: Hogrefe Verlag, Bern
Erscheinungsjahr: 1. Aufl. 2024
ISBN: 978-3-456-86341-2
Als Paperback und als E-Book erhältlich